Untergrund von Crocus

Nach einem erneuten, eindrucksvoll leicht errungenen Sieg, war der heutige Tag wohl der, wo sie auf das dritte Trio treffen würde. Und wie auch bei den letzten malen, so erwartete Ignia erneut keine wirklich Herausforderung. Es wäre in der Tat erstaunlich, würde sie heute aus irgend einem Grund ins Schwitzen kommen. Vor allem deshalb, da sie ja bisher grundsätzlich nicht ins Schwitzen kam, wenn sie für die Gilde gearbeitet hatte. Selbst in ihrem geschwächten Zustand war sie fähig genug um all jene Aufgaben ohne auch nur das geringste Problem zu erfüllen, welche man Magiern des Ranges C zuordnete. Sie war selbst mit den ungeheuren Nachwirkungen von Caelums verbotener Magie noch stärker als der Durchschnitt hier, wie es schien. Wieso sie nicht schon lange den B-Rang erreicht hatte, war für sie eine äußerst gute Frage. Sie würde beizeiten mal mit der Leitung der Gilde über eine Beförderung sprechen müssen.
Es gab jedoch deutlich erstaunlicheres, als ihr überaus großes Talent und die Tatsache, dass sie selbst mit ihren Leiden noch eine derart fähige Kämpferin und Magierin war. Nämlich die Tatsache, dass sie heute etwas neues gelernt hatte, was sie früher niemals erwartet hätte: sie hatte ihre Leibwachen, während sie hier in dem gemieteten Zimmer warteten, bei einem Kartenspiel beobachtet und schlussendlich dazu gesetzt, um das Spiel zu lernen. Poker nannten sie es. Es gab wohl einige verschiedene Versionen dieses Spiels, welche auch immer mit unterschiedlichen Einsätzen waren. In Casinos spielte man mit speziellen Münzen, die in Jewel umgetauscht werden können, in einer privaten Runde direkt mit richtigen Jewel-Münzen oder -Noten ... und dann gab es eine Version, welche Ignia sofort dazu gebracht hatte, zum einen knallrot anzulaufen und zum anderen eine Weile in schlechten Erinnerungen fest zu hängen. Denn hierbei wurden die getragenen Kleidungsstücke gesetzt ... und wenn man verlor, musste man sie natürlich dementsprechend ausziehen und hergeben.
Im Endeffekt hatte Ignia jedoch gemerkt, dass sie auch ruhig diese Version, Strip-Poker, hätte spielen können, da sie nach ein paar kleinen Übungsrunden angefangen hatte, ihre Leibgarden regelrecht in diesem Spiel fertig zu machen. Wenn sie hier nicht gewinnen gelassen wurde, was sie vorher unter androhung einer schweren Strafe verboten hatte, dann war klar, dass sie nie in die Gefahr geraten wäre, mehr als maximal ihre Stiefel zu verlieren. In der Tat hatte sie nur zwei der Poker-Runden verloren ... von über dreißig oder so ? Sie wusste es nicht genau, aber es waren sehr viele gewesen.
Und irgendwann hatte sie schließlich all die von ihr gewonnen Einnahmen als gleichmäßige Bezahlung an die vier Männer ausgeteilt, dafür, dass sie ihr das Spiel beigebracht hatten. Und das Versprechen, dass sie so etwa in den nächsten Tagen, während sie warten mussten, noch mit anderen Spielen wiederholen würden, hatte sie ihnen dann auch noch abgerungen. Vielleicht, so hatte einer der Männer gesagt, würden sie ihr auch noch andere Dinge als bloß Spiele beibringen. Er war wohl ein begnadeter Spieler von Flöten, Mundharmonika und dergleichen.
Erst jetzt, wo sie mehr mit den tapferen Männern ihrer Leibwache zu tun hatte, realisierte sie wirklich, wie angenehm es war, einfach nur mit ihnen herum zu hängen und spaßige Dinge zu machen, wie nun etwa einen ganzen Tag ein Kartenspiel zu spielen.
Was hätte sie nur dafür alles hergegeben, wenn sie schon früher in der Lage gewesen wäre, so etwas zu tun. Caelums Kronprinzessin, an einem Tisch mit vier Männern ihrer eigenen, kleinen Einheit aus Wächtern ... ihre Mutter würde sich vermutlich nicht mehr einkriegen, wenn sie das mitkriegen könnte.
Doch auch an diesem Tag musste der ganze Spaß natürlich enden. Und stattdessen zog sie hinunter in den geheimen Raum hinter der Bar, wo sie ihre nächsten Gegner sah. Dieses mal ging sie garnicht erst auf die Truppe zu, sondern direkt hinunter in die Arena, wo die kleine Auseinandersetzung stattfinden sollte. Sie beschwor den Gáe Bolg, rammte ihn in die Mauer an der Seite und setzte sich dann auf die Stange der Waffe, wo sie wartete und zum Veranstalter hoch blickte.
"Heute ?"
"Wirs'e gleich seh'n, Frau !", brüllte einer der drei Männer, gegen die sie heute Kämpfen durfte. Ein großer, muskulöser, braun gebrannter Kerl der oben ohne herum lief und ein blaues Kopftuch trug.
Einen Augenblick später sprangen die drei Gegner bereits in die Arena. Der Veranstalter gab das Zeichen und augenblicklich sammelten die drei ihre Magie und schossen Speere auf sie ab, welche scheinbar aus Wasser bestanden ... Wasser ...
Ignia hob eine Augenbraue und entfesselte die unbändige Hitze ihrer Magie. Ihre Haare waren schlagartig rot geworden und ihr Blick war mehr als nur tödlich. Die drei schienen verblüfft, als ihre Speere bereits lange vor Kontakt mit Ignia verdampften, griffen jedoch weiter an, während Ignia unter dem Hexenhut zu ihnen spähte. Der Ausdruck in ihrem Gesicht war mörderisch.
"Wasser ? Ihr habt Wasser als Element ? Mehr hast du nicht zu bieten, Mann !?", rief sie urplötzlich, ohne hinzuschauen, zum Veranstalter. Dieser schnalzte laut mit der Zunge.
"Irgendwann mussten sie auftauchen, 'tschuldigung, Miss.", war die Antwort. Ignia schnaubte aufgebracht. Dann sprang sie von ihrem Speer. Die drei Männer hörten sofort mit ihren Angriffen auf und gingen in eine Verteidigungsformation. Nun, sie waren an sich nicht so schlecht und unorganisiert, wie die letzten beiden Trüppchen. Aber dennoch ... Wasser ...
Ignia zog den Gáe Bolg aus der Wand, ließ ihn wieder verschwinden, fasste mit einer Hand ihren Hexenhut und drehte ihren Gegnern dann doch wirklich den Rücken zu. Sie marschierte langsam zum Ausgang der Arena, doch dann ertönten, wie erwartet, schnelle Schritte hinter ihr. Alle drei gingen mit Schwertern aus manifestiertem Wasser auf sie los.
"Tche ... Mutig. Als Belohnung werdet ihr nur leicht getoastet."
Ohne hinzusehen schwang sie eine Hand, lässig, absolut kraftlos und so, als wolle sie jemandem halbherzig auf wiedersehen sagen. Und im gleichen Augenblick wurde die gesamte Arena hinter ihr in Flammen gehüllt. Die drei Männer stürzten keuchend und dampfend zu Boden, voller Ruß und mit leichten Verbrennungen übersäht. Sie waren mit dieser einen, vollkommen schwächlich wirkenden Geste ihrem Untergang geweiht gewesen. Alle drei, mit einem Zauber bezwungen.
Ohne noch einmal zurück zu blicken marschierte Ignia davon und ging aus dem Raum, während der Veranstalter nach den Sanitätern rief, welche sich um jeden der bezwungenen Männer kümmerten, wie auch schon die letzten beiden Abende, nachdem Ignia die Räumlichkeiten verlassen hatte, flankiert von ihren vier Leibwächtern.