Untergrund von Crocus

Sechs der zwölf Elemente der Magie waren bezwungen, die hälfte stand Ignia noch bevor.
Aber seit dem gestrigen Tag war es doch ein wenig komplizierter geworden. Seit ihre Männer die königlichen Ritter von Caelum, unter direkter Führung von Prinz Valen persönlich, in Crocus gesehen hatten, war die Stimmung nicht gerade ideal. Die Leibgarden wussten allesamt, dass sie keine Chance hätten, Ignia im Falle eines Kampfes den Rückzug zu decken. Dafür waren sie einfach zu wenige. Sie mussten also wohl oder übel hier bleiben und genau aufpassen, was sie taten. Ein falscher Schritt, eine falsche Aktion, ein falsches Wort und schon hätten sie eine horde königlicher Ritter am Hals. Und Unterstützung von der Gilde konnten sie im Moment auch nicht anfordern. Im Endeffekt waren sie darauf beschränkt auszuharren und zu warten, bis die Ritter ihre Suche in der nächsten Stadt fortsetzten.
Und eben dadurch saß sie nun hier und überlegte, wie sie sich die Zeit vertreiben konnte. Im Endeffekt hatte sie weiter an ihrem kleinen Handbuch geschrieben und philosophiert. Zumindest so lange, bis schließlich einer ihrer Männer zu ihr trat und etwas in der Hand hielt, was sie in helle Begeisterung versetzte. Eine Blockflöte.
Sofort waren Buch und Stift zur Seite gelegt und Ignia war aufgesprungen, ein breites Lächeln im Gesicht.
"Du hast eine bekommen !?"
"Wie man zweifellos sehen kann, Mylady Ignia. Seid ihr bereit für ein wenig Unterricht ?", war die lächelnd ausgesprochene Antwort mit der darauf folgenden Frage. Ignia nickte energisch.
"Auf jeden Fall ! Also, wie geht das genau, abgesehen vom Pusten ?"
Auf diese Frage hin begann erst einmal die Erklärung, wie genau sie den Mund formen musste, wie genau sie pusten musste und was sonst noch zu beachten war. Dann sorgte der Mann, aufgrund der Tatsache, dass sie seine Kronprinzessin war, erst einmal zögerlich für die richtige, aufrechte Haltung, ehe er ihr die Flöte an den Mund legte.
"Pustet erst einmal nur hinein. Ich betätige die Öffnungen der Flöte.", erläuterte er kurz ihre Aufgabe. Nach einem kaum sichtbaren Nicken fing sie dann an. Sie sorgte für die Töne an sich, während er mit geschickten Handgriffen die Melodie bestimmte.
Nachdem sie mit dieser ersten Übung fertig waren, gab es dann die nächste.
"Nun beobachtet dabei genau die Bewegungen meiner Finger. Hört, welche Bewegungen welchen Ton erzeugen, prägt es Euch ein. Und gleich werdet ihr die Melodie versuchen nachzuspielen."
Erneut nickte sie, setzte den Mund an die Flöte und pustete hinein, den Blick fest auf seine Finger gerichtet, die vor ihrem Gesicht herum tänzelten. Und schließlich nahm er eine Hand weg, um ihr zu symbolisieren, dass sie nun vollständig an der Reihe war.
Sie nahm die Hände hoch, legte sie an das Instrument und fing dann an vollkommen auf sich gestellt zu spielen. Zuerst ein wenig zögerlich und langsam, doch nach einer kurzen Zeit wusste sie auch aufgrund der eigenen Bewegungen, was sie für welchen Ton nun genau machen musste. Und so spielte sie nach kurzer Zeit perfekt die Melodie nach, die sie vorher gemeinsam gespielt hatten.
Als sie dann die Flöte vom Mund nahm, applaudierten alle vier ihrer Leibwachen, woraufhin Ignia grinste wie ein Honigkuchenpferd.
"Meisterhafte Leistung, Mylady. Das Flötenspiel ist zwar nicht allzu schwer und auch die Melodie war recht simpel, aber Ihr habt enormes Talent, soweit ich das beurteilen darf.", war die Bewertung ihres Mentors, welcher stolz auf seine neueste Schülerin blickte.
Ihr Strahlen wurde noch breiter und mit einem lauten "YAAAYYY !!!" sprang sie den Mann regelrecht an und drückte ihn fest an sich.
Nach dieser Lektion übte sie noch ein wenig weiter vor sich hin, während die Männer ein wenig mit Karten spielten. Sie gab ihnen sozusagen die musikalische Untermalung für ihre kleinen, friedlichen Duelle mit geringem Einsatz. Sie selbst machte vorerst nicht mit, sie würde später noch genug damit zu tun haben.
Und in der Tat, als die Leute der Stadt Feierabend hatten, tummelten sie sich schnell in der Taverne, was Ignia schnell mitbekam, da sie ja nun in eben dieser wohnte. Eben dies machte es natürlich deutlich einfacher für sie, zu ihrem geliebten, kleinen Spielchen zu kommen. Wie üblich in der letzten Zeit zog sie also ihren Hut auf und marschierte in den Teil der Taverne, wo die Leute sie scheinbar schon erwarteten, da bei ihrem Anblick großer Jubel losbrach. Irgendwer, der sie entdecken und an die königlichen Ritter ausliefern konnte, war auch nicht da. Und deshalb marschierte sie zu ihrer üblichen Runde, setzte sich, legte den Hut neben sich und fing an mit den Leuten zu spielen.
Wieder lief es so ab, wie schon die letzten Tage. Sie verlor hin und wieder freiwillig um den Eindruck zu wahren, dass es schon einen Sinn machte, mit ihr zu spielen, selbst wenn sie so häufig siegte. Und auch der ständige Fluss des Alkohols, auf ihre Kosten, machte die Mitspieler gefügig und gab ihnen einen Grund, auch am nächsten Abend her zu kommen.
Inzwischen hatte sie sogar mit einigen der Leute tiefgreifende Gespräche geführt. Ebenso wussten einige, dass sie nur auf der Durchreise war, was für allgemeine Missgunst gesorgt hatte, als sie es erzählte. Es schien so, als ob die Spieler es wirklich genossen, ihre Zeit mit ihr zu verbringen. Und deshalb hatte sie beschlossen, dass sie mit einem Versprechen zusagte, dass sie Crocus regelmäßig besuchen und in die Taverne kommen würde. Und das hatte sie in der Tat vor. Denn auch ihr gefielen diese Abende.
Und wie jeder Abend, so endete auch dieser mit einem ... eher nüchternen Kampf. Heute waren es die Windmagier, also keinerlei Herausforderung vermutlich. Ignias Flammen brannten mit solcher Intensität, dass es nicht leicht war, sie durch Wind zu löschen. Und in der Tat schaffte es keiner der drei, wirklich ein Problem zu machen. Im Gegenteil, Ignias Flammen wurden nur noch verstärkt und waren so erstmals sogar in der Lage, die Arena an sich wirklich zu Beschädigen.
So endete auch der siebte Tag damit, dass Ignia ihre Gegner ohne jegliche Probleme bezwang und beinahe wortlos die Arena verließ. Inzwischen schien sogar der Veranstalter schon die Hoffnugn aufgegeben zu haben, dass irgendjemand Ignia wirklich Schwierigkeiten machen konnte. Seine angeheuerten Magier waren einfach nicht stark genug, wie es schien.