Erdgeschoss

Zatana hörte dem restlichen Gespräch von Reiko und Reika aufmerksam zu und war interessiert daran, worüber sie sprachen. Scheinbar ging es um irgendwelche Gildenverhältnisse und darum, dass Reika der Gilde Violent Phönix nicht über den Weg traute. Diese Gilde, Zatana hatte bisher recht wenig über sie gehört, aber hatte nicht das letzte Treffen der Gildenmeister von dieser Gilde gehandelt?
Ein kleiner Wortwechsel zwischen Reiko und Reika, machte Zatana auch klar, dass Reiko scheinbar ihre Gildenmeisterin zu einem Kampf herausgefordert hatte. Lächerlich, für die Weißhaarige war klar, dass niemand Reika das Wasser reichen konnte.

Als sich Reika nun endlich an sie wandte und fragte, was es gab, wollte Zatana gerade antworten, doch als sie den Mund aufmachte, wurde sie von dem Kommunukationslacrima unterbrochen. "Es kann auch noch bis später warten", murmelte Zatana, in dem Glauben das Reika sie nicht gehört hatte, schließlich war sie sofort zum Lacrima geeilt. Ihre Gildenmeisterin kam sehr erfreut und aufgeregt zurück. Was ihr wohl mitgeteilt wurde? So hatte Zatana ihre Gildemeisterin noch nie erlebt. Schon wurde die Weißhaarige aufgefordert Wein und Bier aus dem Keller zu holen, scheinbar gab es was zu feiern. Von unten hörte sie dann Reika rufen: "LEUTE, ICH HABE TOLLE NEUIGKEITEN. GRACEFUL TIGER IST AB DEM HEUTIGEN TAGE EINE OFFIZIELLE GILDE. WIR FEIERN DIESEN MOMENT GEBÜHREND."

Dies war allerdings ein Grund zum Feiern. Auf Zatanas Lippen bildete sich ein seltenes Lächeln. Das war das Ziel, welches Graceful Tiger all die Jahre unter der Leitung von Reika verfolgt hatte und scheinbar waren sie endlich an ihrem Ziel angekommen ...
Die Tür zum Büro stand nun offen und Zatana konnte von dort aus in den Hauptraum der Gilde sehen, so voll hatte sie das Gildenhaus bisher schon lange nicht mehr gesehen. Ihr Blick schweifte über die Anwesenden Personen, von den Meisten hatte sie zumindest schon einmal das Gesicht gesehen. Einer der anwesenden Frauen warf Zatana einen seltsamen Blick zu und dieser wurde mit einem ebenso seltsamen, aber vor allem kühlen Blick von Zatana erwidert, bevor sie in den Keller eilte, um Alkohol ranzuschaffen.

Sie schaffte zwei Fässer mit Alkohol heran, kein Problem für die kräftige Frau und wandte sich dann wieder an Reiko, die in dem allgemeinen Trubel etwas verloren schien. "Ja, interessant, schließlich seit ihr eine Gildenmeisterin und sicherlich sehr stark ...", ihre Stimme war wieder so kühl und gefühlslos wie immer. Sie respektierte stärkere Personen, egal, um wen es sich dabei handelte. Schließlich galt auch in einem Wolfsrudel, das Gesetz des Stärkeren und die Schwächeren hatten, sich unterzuordnen.
Reiko schien mit Zatana immer noch weiterhin ein ernsthaftes Gespräch führen zu wollen, aber nun hörte die Weißhaarige nur noch mit halbem Ohr zu, ihre Aufmerksamkeit galt dem allgemeinen Trubel. Mit einem Glas Sake setzte sie sich in eine ruhigere Ecke und entzog sich der allgemeinen Aufmerksamkeit, so wie sie es nun einmal immer tat, wie ein einsamer Wolf.

Zatana hatte sich selbst ein Gläschen Alkohol gegönnt und beobachtete nun stillschweigend die Party, die in der Gilde stattfand, selbstverständlich wegen der frohen Neuigkeit die Reika verkündet hatte. Sie beobachtete, wie Reiko das Gildenhaus verließ und Ayanokoji bald darauf anfing, auf seiner Violine zu spielen. Die Weißhaarige lauschte der schönen Melodie und wippte leicht mit ihrem Kopf dazu. Aus dem Augenwinkel heraus konnte sie die blauhaarige, junge Frau sehen, die ein ganzes Fass Alkohol für sich gepachtete hatte, noch immer konnte sie sich nicht an ihren Namen erinnern ...
Zwischendrin bemerkte sie auch die kleine Auseinandersetzung zwischen Sakuya und einem der neueren Mitglieder, scheinbar ging es um Alkohol, und die Vorliebe dieses Getränk zu schlabbern. Schlabbern ist wie Trinken, nur das man dabei mehr verschüttet. Ein anderer Neuling setzte sich auch einfach in eine Ecke und beobachtete das Spektakel nur, dieses Verhalten war Zatana schon sympathischer.

Zatana schloss für einen Moment die Augen und nahm wieder einen Schluck von dem Alkohol, er schmeckte ihr, was aber auch verständlich war. Die Weißhaarige kannte sich mit Alkohol aus und hatte zwei Fässer mit dem feinsten Stoff geholt, schließlich gab es wirklich etwas zu feiern. Als sie die Augen wieder öffnete, hob sie den Kopf, denn Reika befand sich direkt vor ihr, setzte sich zu Zatana hin und fragte sie, was los war, schließlich war die Weißhaarige bestimmt nicht ohne Grund in ihr Büro gekommen. Angesichts der fröhlichen Stimmung hatte Zatana wirklich wenig Lust über ernsthafte Themen zu sprechen, doch ihre Leitwölfin forderte sie auf und deshalb gehorchte Zatana brav. "Du warst lange abwesend, Reika-sama und du hattest mich während deiner Abwesenheit zu deiner Vertretung ernannt. Ich wollte nur wissen, wie es dir ergangen war und was überhaupt passiert ist", begann Zatana zu erzählen. Eigentlich war sie es gewohnt, dass sie immer wusste, was Reika so tat und worüber sie sprach, ja sogar, was sie dachte, so vertraut war sie eigentlich mit der Gildenmeisterin, denn schließlich kannten sie sich schon ewig. Diese ungewöhnliche Unvertrautheit war neu für die Weißhaarige und machte sie in irgendeiner Weise nervös, schließlich kannten sich die beiden Frauen schon fast ihr ganzes Leben lang.
"Außerdem wollte ich dich darüber informieren, was während deiner Abwesenheit hier passiert war. Dieser Neuling, Sakuya heißt sie glaub ich, war noch kein Mitglied hier und hat ein wenig Ärger verbreitet, du solltest ein Auge auf sie haben." Die Magierin machte eine Pause und fuhr gleich darauf fort: "Aber ich freue mich, dass Graceful Tiger in letzter Zeit so an neuen Mitgliedern gewachsen ist." Das alles brachte sie in einem recht monotonen Tonfall hervor und ohne eine Miene zu verziehen, ganz so wie man es von Zatana gewohnt war.
"Außerdem freue ich mich auch darüber, dass Graceful Tiger nun zu einer offiziellen Gilde ernannt wurde, schließlich war das immer dein Traum gewesen, Reika-sama." Die Weißhaarige wurde plötzlich für einen Moment stutzig und fügte hinzu: "Allerdings kommt mir die ganze Geschichte ein wenig komisch vor. Offizielle Gilde hin oder her, schön und gut, allerdings gab es extra eine Einberufung der Gildenmeister und Besprechung dieser, als Violent Phönix zur offiziellen Gilde ernannt wurde, waren wir deshalb nicht vor Kurzem noch gemeinsam auf Reisen? Ich hab mir darüber ein paar Gedanken gemacht, aber hätte dies bei Graceful Tiger nicht auch so ablaufen müssen ..." Zatana machte sich gerne Gedanken, über alle möglichen Dinge, besonders wenn es mit Reika oder der Gilde zu tun hatte.

Das Gespräch zwischen Zatana und Reika wurde jäh von einem lauten Scheppern unterbrochen. Die Weißhaarige sah sich nach einem Grund um und entdeckte wieder die Blauhaarige, die mit ihrem, scheinbar leeren, Alkoholfass um sich warf und den unschuldigen, Violine spielenden Ayanokoji damit traf. Dieser zeterte sofort los und fragte nach dem Übeltäter, doch die schuldige Frau hatte sich bereits zu Zatana und Reika begeben und schmiegte sich ganz offensichtlich an die Gildenmeisterin. Zatana konnte sich einfach nicht an den Namen jener Frau erinnern, doch sie wünschte gerade sie könnte es, dann hätte sie die Übeltäterin, die Reika so respektlos mit -chan ansprach, beim Namen nennen können. Ganz offensichtlich war die Frau schon ziemlich beschwipst, zum einen hatte sie ein ganzes Fass intus und zum anderen ... konnte man sie kaum mehr verstehen, denn sie lallte nur so vor sich hin. Ihre unversteckte Abneigung der Weißhaarigen gegenüber, versteckte sie nicht einmal, sprach sie offen aus und starrte Zatana grimmig an. Wenigstens ließ sie für einen Moment von Reika ab und hätte sie ihr besoffenes Gesicht auf der Tischplatte liegen gelassen, so hätte sich Zatana vermutlich wieder beruhigt. Allerdings dachte die Blauhaarige nicht einmal im Traum daran, krabbelte auf Reikas Schoß und fragte lallend, was die beiden Frauen hier zu besprechen hatte.
Hunden starrte man bekanntlich nicht in die Augen, denn jeder wusste, dass sie dadurch aggressiv wurden, das Gleiche galt für die Wildform, die edlen Wölfe. Doch der Störenfried hatte den Fehler gemacht und es bei Zatana getan, sogar mehrmals. Nun fühlte sich die weißhaarige Frau, die bei Wölfen aufwuchs, bedroht und herausgefordert. Die Blauhaarige hatte diesen Fehler gleich mehrmals wiederholt und entweder wusste sie nichts über Zatana oder ihr war es, vor allem in diesem Zustand, schnurzpiep egal.
Was fällt diesem Miststück eigentlich ein, Reika-sama so unhöflich zu behandeln und sie mit ihren dreckigen Pfoten zu begrabbeln und sich dann auch noch in dieses wichtige Gespräch einzumischen?, dies alles dachte Zatana aber nur, sprach es nicht aus. Allerdings brodelten diese Gedanken in ihr und wirklich zurückhalten konnte sie sich nicht mehr. Mit einer Zornesfalte auf der Stirn rammte die Weißhaarige ihre Hände auf den Tisch, sodass es ordentlich schepperte. Gleich darauf räusperte sie sich und sagte im monoton typischen Tonfall, allerdings lauter als sonst: "Solch ein Verhalten der Gildenmeisterin gegenüber kann ich nicht dulden ... Dir sollten Manieren beigebracht werden und wenn es die Meisterin nicht tut, dann werde ich dich in deine Schranken weisen müssen."

Zatana war aufgebracht wie schon lange nicht mehr, nicht einmal der letzte Vorfall mit Sakuya hatte sie so in Rage gebracht. Sie rauschte durch das Gildenhaus, schnappte sich das zweite Alkoholfass und setzte zu trinken an. Dieses halb gare Frauenzimmer wollte sie herausfordern? Das konnte sie haben, schließlich war Zatana eigentlich den ganzen Tag am Sake trinken und durchaus trinkfest. Mit dem halb geleerten Fass kehrte sie an den Tisch zurück und wischte sich die Reste, elegant mit einem Tuch, von ihrem Mund ab. "Du ...", knurrte sie und zeigte auf die Blauhaarige, sprach aber nicht weiter und trank wieder. Sie trank und trank, alles, bis das Fass auf den letzten Tropfen leer war. Auch sie hatte jetzt einiges intus und fing an zu lallen: "Wasch fäll' diar eigenlisch ein, scho mi' unscherer Gilden ... meischterin schu redn', hä? Un' wer misch herauschforder' ... misch hat scho' lang' nieman' mehr unda den Tisch getrunk'n."*
Zatana konnte nun auch ihre Finger nicht mehr bei sich halten, sie war ganz klar eine offensive Alkoholikerin, und warf zuerst das leere Fass hinter sich, welches quer durch das Gildenhaus flog und schlang dann ihre Arme um Reikas Schultern, schloss die Augen und drückte der Gildenmeisterin einen Kuss auf die Wange. "Auscherdem kenn' Reika-schama un' isch uns scho' viel länga, du Mischtstück"*², lallte die beschwipste Zatana. Dann richtete sie sich torkelnd wieder auf, versuchte die andere Frau von Reikas Schoß zu schieben und fuhr lallend fort: "Mach Platsch, oda isch kitschel disch mi' mein' Schwer', Schätschen ..."*³ Das Gesprochenen ging in unverständlich gebrabbelte Worte über. Nun versuchte Zatana, unabhängig davon ob die andere Frau noch da saß oder nicht, es sich auf dem Schoß von Reika bequem zu machen und gluckste dabei ...