Sukis Wohnung

Dass Suki peinlich berührt zu Seite geschaut hatte, sprach bereits Bände und Fang war sich ziemlich sicher, da später noch ein paar sehr interessante Fakten aus der Magierin heraus kitzeln zu können. Nun aber folgte sie ihr brav durch Magnolia zu ihrer Wohnung. Die schwere Tasche hatte sie wieder über ihre Schultern gehängt und sie schlenderte genüsslich den breiten Weg entlang, ihren Blick nach rechts und links wandern lassend. Sie war bereits einmal in Magnolia gewesen, allerdings nur auf der Durchreise – also im Grunde wie jetzt, nur dass sie damals keine Zeit gehabt hatte, sich die Stadt ein wenig anzusehen. Dieses Mal war es anders. Vielleicht sollte sie ja sogar ein paar Steckbriefe schreiben und aufhängen? „Meinst du, es wäre sinnvoll, die Bilder kopieren zu lassen und irgendwo als eine Art Steckbrief aufzuhängen?“, fragte sie an ihre Stadtführerin gewandt und sah die Dunkelhaarige neugierig an.
Es dauerte nicht lang, da hatten sie Sukis Wohnung erreicht und Fang war die erste, die eintrat. Aufmerksam sah sie sich um, jedoch ohne der Kleineren im Weg herumzustehen und betrachtete die Bilder an den Wänden und auf dem kleinen Tisch im Wohnzimmer. Es waren nicht viele Bilder, dafür aber einige wirklich schöne. „Gemütlich hast du’s hier.“

Gedankenlos ließ Fang ihre Tasche neben dem Sofa nieder und schritt gemächlich durch die kleine aber feine Wohnung. Sie hielt etwas irritiert inne, als Suki vom Schloss sprach, wobei ihr Blick zur gleichen Zeit auf das Bild, das Suki und den König Fiores, sowie ein paar Leute von anderen Fotos zeigte fiel. Ihre Augen wanderte zu der Magierin, die gerade durch eine Tür verschwunden war, wohl um in die Küche zu gelangen. „Schloss …?“, fragte sie und folgte Suki in das anliegende Zimmer, das sich tatsächlich als die Küche herausstellte. „Du bist mit dem König verwandt?“ Es war eigentlich eher eine rhetorische Frage, denn das Bild an der Wand sprach dafür, auch wenn Fang sich auf den ersten Blick nicht sicher gewesen war, ob es sich bei dem Mann tatsächlich um den König des Reiches handelte. Letztlich hatte sie sich aber dafür entschieden, das ihr Gedächtnis besonders gut bei Gesichtern funktionierte. „Aber eh, ja … ich bin auch der Ansicht, dass die Größe einer Wohnung irrelevant ist, solange man sich zuhause fühlt. Manchmal ist jemandes Heimat ja auch keine Wohnung, sondern eine Person.“ Ein sanftes Lächeln zierte ihr Lippen, als ihr klar wurde, wie war die Worte waren, die sie soeben ausgesprochen hatte. Es war ihr zwar nicht leicht gefallen, Hargeon Town und die Gilde zu verlassen, doch hatte sie es letztlich geschafft, da all das nicht mehr ihre Heimat war. Nicht ohne Claire.

Auf die Frage, ob sie etwas trinken wollte, zuckte sie nur mit den Schultern. „Was Erfrischendes wäre bei der Wärme nicht schlecht“, entgegnete sie und lehnte sich an die Wand neben dem Kühlschrank. „Aber nun zum wichtigen Thema … du und Kaito. Du hast ja schon zugegeben, dass du ihn magst. Aber ich habe nicht ganz verstanden, was das Problem dabei ist.“ Sie verschränkte ihre Arme vor der Brust und musterte ihre Gesprächspartnerin aufmerksam. Ob diese es wohl seltsam fand, von einer im Grunde wildfremden Person darauf angesprochen zu werden? Eine Frage, die Fang sich natürlich erst im nachhinein stellte.

Fang legte den Kopf leicht zur Seite und betrachtete ihre Gesprächspartnerin aufmerksam, während sie von ihrer königlichen Verwandtschaft sprach. Sie ließ es leichtes Lachen los, als Suki ihr berichtete, sich nie etwas aus der Tatsache zu machen, dass sie Teil der königlichen Familie war. „Das ehrt dich irgendwo“, entgegnete sie. „Auch wenn ich nicht weiß, wie es sich als Mitglied der königlichen Familie lebt, aber ich würde wohl auch nicht ewig auf Kosten anderer mein Dasein fristen.“ Sie nahm dankend das Glas entgegen, das für sie mit Wasser gefüllt worden war und trank einen Schluck daraus, als Suki ihr eine Frage zu Claire stellte. Es war keine, die nähere Informationen verlangte und doch war die alleinige Erwähnung für sie wie ein Stich ins Herz. Ein ernster Schleier legte sich über ihr Gesicht und sie starrte die Oberfläche des Wassers eindringlich an, fast als wolle sie es mit ihrem Blick zum Kochen bringen. „Ja“, brachte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Von ihr habe ich gesprochen.“ Mehr gab es dazu nicht zu sagen, auch wenn Fang das Bedürfnis hatte, mehr zu erzählen. Sie wollte gern jemanden an ihren Sorgen teilhaben lassen, doch hatte sie sich vor langer Zeit geschworen, stets für die Probleme anderer offen zu sein, doch ihre eigenen niemals mit der Welt zu teilen, um niemanden zu beunruhigen oder unter den Druck zu setzen, ihr helfen zu wollen.
Umso intensiver versuchte sie, ihre Gedanken von Claire zu lösen und auf das Wesentliche zu lenken: Sukis Beziehung zu Kaito. Sie kannte weder die Magierin, noch den ehemaligen Gildenmeister besonders gut, doch allein an der Art und Weise, wie ihre neu gewonnene Freundin von dem blonden Magier sprach war ihr klar, dass sie unter den momentanen Umständen litt. Fang nahm einen großen Schluck aus dem Glas und stellte es dann neben sich auf die Anrichte. Ihre Augen richteten sich auf Suki, die die gesamte Zeit zur Seite geblickt hatte. „Das letzte, was man tun sollte, wenn man verliebt ist, ist die Gefühle zu verstecken“, begann sie in ernstem Tonfall und stieß sich von der Wand ab, um sich vor Suki zu ihrer vollen Größe aufzubauen. „So wie ich das sehe, leidest du jeden einzelnen Tag darunter, mit ihm nicht darüber zu sprechen. Weißt du, er unterscheidet sich in seinem Verhalten nicht allzu sehr von meinem vergangenen Ich. Ich habe stets mit anderen geflirtet, hier und dort Frauen und Männer gedatet und vor nichts Halt gemacht, aber als ich mir meiner Gefühle für Claire bewusst wurde und sie mir von ihren berichtete, war das alles ganz schnell Geschichte. Und selbst jetzt, wo ich sie seit einem halben Jahr nicht mehr gesehen habe, halte ich daran fest, ihr meine Treue geschworen zu haben.“ Sie legte ihre Hände auf Sukis Schultern und drückte diese leicht. „Er ist ein, soweit ich das beurteilen kann, sehr gutaussehender Kerl und es gab sicher schon ein paar Frauen, die etwas Längerfristiges von ihm wollten. Und doch ist er ja offensichtlich nie darauf eingestiegen, mh? Ich bin der Meinung, dass du keine Angst vor seiner Reaktion oder vor der Zukunft haben solltest. Du lebst im Hier und Jetzt, wie wir alle und im Moment tut es dir weh, auch nur von ihm zu reden. Er mag ein Idiot und ein Lustmolch sein aber ich bin mir sicher, dass er alles andere als dumm ist, oder?“ Mittlerweile hatte Fangs ernstes, zerknirschtes Gesicht sich wieder aufgehellt – was mitunter daran lag, dass sie von ihren eigenen Worten ziemlich begeistert war – und ihre Augen strahlten ihr Gegenüber aufmunternd an. „Er würde dich ganz sicher verstehen. Der Kerl ist … ein Kerl. Du kannst von ihm nicht erwarten, den ersten Schritt zu machen, so sind die allerwenigsten von ihnen gestrickt. Und wer weiß, vielleicht empfindet er ganz genauso wie du und hat seine eigenen Gründe, es hinter einer Fassade zu verstecken? Ich für meinen Teil war damals unsicher, was ich mit mir und der Welt anfangen sollte.  Ich habe nach Sicherheit gesucht und ich glaube, dass jeder Mensch irgendwo Sicherheit braucht. Also biete ihm an, dieser Sicherheit für ihn zu sein. Ich glaube, dass du das besser kannst, als manch anderer.“
Mit einem Augenzwinkern beendete sie ihre Worte, ließ dann wieder von Sukis Schultern ab und betrachtete ihr Gegenüber nur noch neugierig. Ein wenig  überrascht von sich war sie ja doch, hatte sie doch gerade einen Ratschlag von sich gegeben und gleichzeitig versucht, jemanden zu beruhigen und auf die richtige Bahn zu lenken. Normalerweise war sie es, deren Ansichten richtig gestellt werden mussten – auch wenn das nur in den allerseltensten Fällen möglich war – und es kam nicht oft vor, dass sie sich in der Rolle desjenigen befand, der mit Worten versuchte, einen anderen auf die rechte Bahn zu lenken. Sie half anderen Menschen stets gern, schon immer hatte sie einen Beschützerinstinkt in sich, den sie nicht ignorieren konnte und noch nie hatte sie andere Leute seelisch oder körperlich leiden sehen können. Und so hatte sie natürlich das Bedürfnis, Suki beizustehen. Sie hatte keine Ahnung ob das, was sie gesagt hatte, der Dunkelhaarigen irgendwie helfen konnte, schließlich kannte sie dieser erst seit knapp einer Stunde und abgesehen von ihrem Namen und ihrer adligen Abstammung wusste sie nur, dass Suki ganz eindeutig Gefühle für den ehemaligen Gildenmeister von Fairy Tail hatte. Kurz schloss sie ihre Augen, um ihre Gedanken ein letztes Mal zu fokussieren, ehe sie noch etwas anhängte: „Du bist eine sehr hübsche Frau und du hast offensichtlich einen starken Charakter. Es gibt nichts, was du vor einem Mann, ganz egal vor welchem Mann, verstecken müsstest. Weder Gefühle, noch Ansichten und wenn er nicht vollkommen bescheuert ist, weiß er das zu schätzen und erkennt es an. Du sollst nicht darunter leiden müssen, was du über eine Person denkst, ohne ihr davon berichten zu können. Wenn ich in meinem Leben etwas gelernt habe, dann dass man stets zu seinen Gefühlen stehen sollte, ganz egal an wen und in welcher Form sich diese an jemanden richten. Du hast Angst davor, dass eine andere ihn dir wegschnappen könnte, doch ergreifst du auch nicht die Initiative und versuchst, etwas dagegen zu unternehmen. Und die Tatsache, dass er dich mit dem, was er macht, auf die Palme bringt, zeigt eigentlich, wie stark deine Gefühle wirklich sind. Ich bitte dich, obwohl wir uns kaum kennen, nimm dir meinen Ratschlag zu Herzen und versuch wenigstens, mit ihm darüber zu reden. Ich werde einen Besen fressen, wenn das nicht funktioniert, das verspreche ich dir.“

Sichtlich mit sich und dem Ergebnis zufrieden, griff Fang wieder nach ihrem Glas, trank es leer und stellte es dann wieder ab. Suki hatte zugestimmt, dass sie am nächsten Tag mit Kaito reden wollte, um ihm von dem zu berichten, was sie empfand. Es tat gut, zu hören, dass ihre Worte etwas bewirkt hatten, auch wenn sie zwischendurch das Gefühl gehabt hatte, nur Müll zusammen zu labern. Es freute sich ungemein, dass sie Suki die Augen hatte öffnen können. Sie nickte ein paar Mal zustimmend, dann deutete sie mit einem Nicken zur Tür. „Du hast zwar eine sehr hübsche Küche, aber vielleicht sollten wir die nächsten Gespräche ins Wohnzimmer tragen?“, schlug sie mit einem Lachen vor. „Könnte ich vorher noch ein Glas Wasser haben?“ Sie hatte das Gefühl, die Unterhaltung weiter aufrecht erhalten zu müssen, um ihre Gesprächspartnerin nicht zu sehr in Gedanken versinken zu lassen. Sie wusste, was Gedanken mit einem anstellen konnten, wenn man zuvor einen Entschluss gefasst hatte.
„Tja, der Abend ist jung. Ich würde eigentlich nur ganz kurz deine Dusche nutzen wollen und dann … lernen wir uns etwas besser kennen, mh? Es gibt ja sicher noch mehr über dich zu wissen, als dein Faible für schürzenjagende Hutträger und deine Abstammung, oder?“, witzelte sie und zwinkerte Suki neckisch zu. Sie war sich nicht ganz sicher, ob diese Aussage nicht vielleicht etwas zu weit ging oder ob sie darüber lachen konnte. Fang hoffte auf Letzteres, anderenfalls machte sie damit nachher noch das kaputt, was sie gerade aufgebaut hatte. Wieder einmal hatte sie gesprochen, bevor sie darüber nachgedacht hatte und wieder einmal fragte sie sich, ob das vielleicht mit Claires Verschwinden zu tun hatte. Die Tatsache, dass sie immer erst dann nachdachte, wenn sie die Klappe bereits wieder geschlossen hatte. Ihr Blick wanderte über Sukis Gesicht, um eine eventuelle Reaktion im Voraus erkennen und dagegen vorgehen zu können. Für den Fall aller Fälle machte sie sich darauf gefasst, sich ausgiebig zu entschuldigen. Nicht jeder kam mit ihrer Form von Humor klar.

Sukis Reaktion zeigte ihr nicht ganz, ob sie zu weit gegangen war, oder ob ihre Aussage noch im Rahmen gelegen hatte, doch da die Dunkelhaarige ihr keinen empörten Blick zugeworfen hatte, ging Fang erst einmal von Ersterem aus. Erneut dankte sie ihrer Gastgeberin für das zweite Glas Wasser, hob es an ihre Lippen, trank es in einem Zug aus und stellte es anschließend mit den Worten „Das wasche ich nachher ab“ neben die Spüle, um Suki ins Wohnzimmer folgen zu können. Die etwas kleinere Frau erklärte ihr mit wenigen Worten, wo das Bad sich befand und woher sie Handtücher bekam, wenn sie welche benötigte. Zwar hatte die Braunhaarige sich welche eingepackt, doch vielleicht war es gar keine schlechte Idee, das Angebot anzunehmen, das man ihr nun schon freundlicherweise gemacht hatte. So konnte sie die Handtücher für Abende aufheben, an denen sie nirgendwo eine Unterkunft finden konnte. Andererseits tat Suki bereits genug für sie, indem sie ihr sauberes Wasser aus ihrem Hahn gab und sich mit ihr unterhielt, um sie abzulenken. Sicher, im Gegenzug dazu lenkte Fang auch sie von ihren momentanen Sorgen ab aber das änderte nichts daran, dass Fang die war, die durch ihre – wenn man es denn so bezeichnen wollte – Obdachlosigkeit die größeren Probleme verursachte.
„Gut, ich beeil mich“, ließ sie Suki wissen, ehe sie nach ihrer Tasche griff und mit dieser im Badezimmer verschwand. Eine heiße Dusche war jetzt genau das, was sie nach der vergangenen Reise brauchte. Der Weg von Hargeon Town bis nach Magnolia war im Grunde nicht weit, würde er nicht durch ein ganzes Gebirge führen. Die ständig wechselnden klimatischen Bedingungen, denen die Braunhaarige ausgesetzt war, hatten dabei nicht unbedingt zum Besseren verholfen. Mit einem tiefen Seufzer entledigte sie sich ihrer doch nicht mehr ganz so sauberen Klamotten und stieg unter die Dusche. Natürlich nicht, ohne zuvor ein Handtuch bereit zu legen. Als der Duschkopf das heiße Nass auf sie hinab rieseln ließ, schloss sie die Augen und lehnte sich ein paar Minuten lang die prasselnden Tropfen in ihrem Nacken und auf ihrem Rücken genießend mit der Stirn an die Wand und begann, leise eine Melodie vor sich zu summen. Dabei schweiften ihre Gedanken ab zu vergangenen Geschehnissen, Momenten, die in ihrem Inneren an ihr vorbei schwebten, sie lächeln ließen und hin und wieder ihr Gesicht auch mal in ein kleines Trauerspiel verwandelten. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie es schaffte, sich aus ihren Gedanken zu reißen und das zu tun, weshalb sie eigentlich in die Dusche gestiegen war.
Nachdem sie sich gewaschen und abgetrocknet hatte, warf sie halbwegs bequeme Kleidung über – eine lange, recht weite Hose und ein weises Tanktop – und sammelte die restlichen Utensilien zusammen, um sie in der Tasche verschwinden zu lassen. Ihre Haare trocknete sie halbherzig ebenfalls noch ab, warf dann das Handtuch ordentlich über die im Bad befindliche Heizung und spazierte dann frisch und munter nach draußen, zurück ins Wohnzimmer, um dort eine auf der Couch sitzende Suki anzutreffen. „Hah, hat das gut getan, danke dafür!“, rief sie aus und ließ die Tasche wieder dorthin sinken, wo sie sie auch zuvor platziert hatte.

Breit grinsend sah sie an sich hinab, als Suki einen Kommentar zu Fangs Äußerem abgab. „Ich habe das Gefühl, dass der Kerl und ich uns wirklich sehr gut verstehen würden“, entgegnete sie mit offensichtlicher Belustigung in ihrer Stimme, ehe sie sich neben der Magierin auf die Couch sinken ließ. „Tja. Was nun? Der Abend ist jung“, meinte sie und lehnte sich mit einem tiefen Seufzer zurück. Im Vergleich zu dem trockenen Boden und der kalten Wiese war die Couch eine wirklich mehr als angenehme Abwechslung für ihren Rücken. Zwar fühlte sie sich nicht unbedingt zermartert, aber sie würde auch nicht von sich behaupten, gänzlich topfit zu sein. Sie hoffte ja, dass sie sich mit ihrem weiteren Weg daran gewöhnen würde, hauptsächlich unter freiem Himmel zu schlafen. Dabei fiel ihr der Bär ein, den sie vor Betreten der Stadt am Rand platziert hatte. Sie hoffte innerlich, dass Basker keinen Unsinn verzapfte.
Nachdem sie für ein paar Momente die Augen geschlossen und sich entspannt hatte, setzte sie sich nun wieder aufrecht hin und sah Suki aus ihren grau-grünen Augen aufmerksam und erwartungsvoll an. „Erzähl noch etwas mehr über dich, los, los“, stachelte sie Suki mit aufforderndem Ton in der Stimme an. Zwar merkte sie, dass sie langsam müde wurde, was zum Teil wohl der Dusche zu verdanken war, zum Anderen hatte sie aber absolut noch keine Lust dazu, schlafen zu gehen. Dafür war es noch zu früh am Abend und sie musste die angenehme Gesellschaft ausnutzen, ehe sie morgen früh weiter zog.

Wie sie erwartet hatte, gab es nichts weiter, was Suki von sich zu erzählen hatte. Darauf schüttelte Fang nur den Kopf. „Wie hast du Kaito kennen gelernt, wie verlief euer erstes Gespräch, hast du schon mal ne Beziehung geführt und so weiter und so weiter. Das ist, was ich wissen will. Und nicht deine Magie“, entgegnete sie lachend. Sie kam sich absolut nicht dämlich dabei vor, so verdammt viele Fragen zu stellen. Vor allem so viele, vielleicht doch recht persönliche Fragen. Entweder Suki würde sie beantworten, oder sie würde es lassen, wenn es ihr nicht passte. Letzten Endes schadete Fang sich eher wenig damit, solche Fragen zu stellen. „Wobei Blitz-Magie schon ziemlich cool ist!“ Sie musste zugeben, so ein Trainingskampf mit der Magierin würde sie durchaus auch reizen. Vor allem, da sie schon eine ganze Weile nicht mehr aktiv gekämpft hatte. Ihre letzte Quest war Wochen her und während ihrer Reise war sie bisher keine wirklichen Bedrohung begegnet, der sie sich hätte stellen müssen. „Hey, was hieltest du von einem kleinen Trainingskampf? Nicht mehr heute, eher morgen früh, bevor ich aufbreche? Ein Kampf am Morgen vertreibt Kummer und Sorgen, pflege ich immer zu sagen. Außerdem geht man dann viel ausgeglichener in den Tag.“ Und das stimmte wirklich. Zumindest in Fangs Fall. Mit Claire hatte sie früher direkt nach dem Aufstehen trainiert und war dann erst richtig in den Tag gestartet.

Die Braunhaarige hob eine Augenbraue, als Suki über ihr „erstes“ Treffen mit Kaito sprach und seufzte anschließend, ebenso, wie die Magierin von Fairy Tail es tat. Allerdings aus einem ganz anderen Grund. Es überraschte sie nicht, dass Suki ihr erzählte, wie unerfahren sie in Richtung Liebe war. Anderenfalls wäre sie vermutlich ganz anders auf das Thema zu sprechen gewesen. „Also, Kleines, pass auf. Mit der Liebe ist das so“, begann Fang und machte dann eine ganz kurze Kunstpause. Sie konnte nun nicht unbedingt von sich behaupten, besonders viele Beziehungen geführt zu haben, aber zumindest wusste sie, was wahre Liebe ist. „Wenn du das Gefühl hast, diesem einen Menschen all seine Marotten und Ticks vergeben zu können, wenn du glaubst, nur diese eine Person sei dazu in der Lage, dich immer wieder aufzuheitern, egal was kommt und wenn du meinst, nur in der Nähe dieser einen Person wirklich sicher und geborgen zu sein … wenn du glaubst, diesem Menschen alles sagen zu können, ohne das Gefühl zu haben, er würde dich nicht ernst nehmen, dann ist das Liebe. Herzklopfen, jedes Mal, wenn eure Blicke sich kreuzen, der Wunsch das einzige auf der Welt zu sein, das für diese eine Person wirklich wichtig ist, dann ist das Liebe.“ Während sie sprach merkte sie, wie in ihrem Hals sich langsam ein Kloß bildete und sie musste sich am Ende kurz räuspern und ein paar Mal blinzeln. Tränen flossen keine, doch spürte sie ganz deutlich, dass in ihr ein tiefes Gefühl der unendliche Traurigkeit aufkam, das sie seit Claires Verschwinden nicht ein einziges Mal so sehr verspürt hatte. Doch nun, da sie so über die Liebe sprach wurde ihr klar, was sie seit so vielen Wochen nicht mehr gespürt hatte.
Aber hier ging es nicht um sie. Ihre Mission war klar, ihr Ziel zwar fern, aber in Aussicht und das einzige, was jetzt zählte war, Suki bei ihrem Männer-Problem zu helfen. Es war eigenartig. Fang kannte diese Frau erst seit wenigen Stunden, doch hatte sie den dringenden Wunsch, sie glücklich zu sehen. Das schmerzende Gefühl in ihrer Brust verschwand, als ihr ernster Gesichtsausdruck einem Grinsen wich und sie auflachte. Suki nahm ihre Anfrage nach dem Trainingskampf an, jedoch nicht, ohne hinzuzufügen, dass sie mit Kaito nie trainieren konnte, da er viel zu stark war. „Hey, willst du damit etwa sagen, ich sähe schwächer aus?“, grinste sie und setzte sich aufrecht hin. „Ich bin auch nicht ohne, musst du wissen.“ Dabei fiel ihr ein, dass Suki nicht wusste, welche Art von Magie sie nutzte und sie nahm sich vor, das auch noch etwas für sich zu behalten, um die Magierin gegebenenfalls später zu überraschen.

„Das ist die richtige Einstellung!“ Fang nickte zufrieden. Suki schien zwar noch immer Zweifel zu hegen, doch zumindest wirkte sie nun wesentlich gefasster und wirklich dazu gewillt, Kaito auf ihre Gefühle anzusprechen. Es machte Fang glücklich zu sehen, dass sie mit ihren Worten etwas bewirkt hatte und vielleicht blieb sie ja noch ein paar Tage länger hier in Magnolia, um zu erfahren, was bei dem Gespräch herumgekommen war und für den allerschlimmsten Fall für Suki da sein zu können. Doch war das bisher nur eine fixe Idee, die sich innerhalb der nächsten Stunden immer noch ändern konnte.
Dass das Gespräch sich nun mehr oder weniger um den Vergleich von Kaitos und Fangs Fähigkeiten drehte, war der Braunhaarigen in irgendeiner Weise fast schon unangenehm. Zwar hatte sie damit begonnen, doch da sie wusste, dass Kaito einmal Gildenmeister gewesen war, fühlte sie sich beim zweiten Mal nachdenken doch schlecht, sich ausgerechnet mit ihm vergleichen zu wollen. „Naja … es gibt sicher noch eine ganze Menge, die ich lernen muss. Aber für meine Verhältnisse … bin ich auf jeden Fall gut genug“, entgegnete sie daher mit einem schiefen Grinsen im Gesicht. Kurz streckte Fang sich und ließ ein ausgiebiges Gähnen hören, dann lehnte sie sich wieder zurück und überschlug ihre Beine.