Ashleys Wohnung

cf: Vor dem Gildenhaus

Misaki nickte zustimmend, als ihre Partnerin vorschlug, sie könnten zu einer der beiden nach Hause gehen, nachdem sie Bericht erstattet hatten. Letzteres erledigte Ashley kurzerhand und anschließend begaben sie sich zu der Scarlet nach Hause.
Neugierig sah Misaki sich in der hübschen Wohnung um, die erstaunlich ordentlich war, dafür dass sie doch verhältnismäßig etwas größer war. Überall standen Rüstungsständer herum, von denen einige noch bekleidet waren. Weniger erkannte Misaki sogar von Bildern über das ehemalige Ass von Fairy Tail: Erza Scarlet. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. Ashley trug ein schweres Erbe auf ihren Schultern, eine Pflicht gegenüber ihrer Familie, die sie zu erfüllen hatte. Irgendwann wandte sie sich aber von den Rüstungen ab und beobachtete ihre Partnerin dabei, wie sie ebenfalls ankam und sich dementsprechend erst einmal sortierte. „Wenn du welchen hast würde ich ganz gern eine Tasse schwarzen Tee trinken“, gab sie von sich und ließ sich anschließend auf dem recht großen Sofa nieder. Sie würde es sich einfach mal so gemütlich machen, wie sie es sich eben an einem ihr unbekannten Ort gemütlich machen konnte. Entspannt lehnte sie sich zurück und richtete ihren Blick weiterhin auf Ashley. Sie würde erst zu reden beginnen, wenn ihre Partnerin … oder Freundin? neben ihr Platz genommen hatte, sie beide eine Tasse Tee in den Händen hielten und zu 100% bei der Sache waren.

Ashley verschwand kurzerhand durch eine Tür, von der Misaki glaubte, sie würde wohl in die Küche führen, um dort den Tee vorzubereiten. Derweil ließ die Rothaarige erneut neugierig ihren Blick an den Wänden entlang gleiten, wobei sie einen Moment an einem Foto hängen blieb, das in einen hölzernen Rahmen gebettet war und zwei Mädchen in jüngeren Jahren zeigte, die einander mit einem breiten Lächeln im Gesicht in den Armen hielten. Ob das wohl Ashleys Schwester war? Es sah tatsächlich so aus, als hätte zwischen den beiden ein sehr starkes Band bestanden, das selbst der Tod nicht hatte zerreißen können.
Noch immer starrte sie das Bild an, als sie eine leichte Erschütterung der Couch wahrnahm. Ashley hatte sich neben sie gesetzt und den Tee, sowie ein wenig Zucker vor ihnen auf dem Tisch platziert. Kurz gab die Scarlet ihr zu verstehen, dass sie so weit war, ehe sie einen Schluck aus ihrer Tasse nahm. Misaki griff derweil ebenfalls nach ihrer Tasse. „Danke“, murmelte sie und hob die Tasse an. Sie trank schwarzen Tee unheimlich gern, doch stets ohne Zucker. Kurz nippte sie an dem heißen Getränk und spürte, wie die Anspannung sich mehr und mehr von ihr löste. Nun konnte sie getrost anfangen, zu erzählen. „Wie du bereits weißt, bin ich ja eine Kinoshita … Und tatsächlich ist meine Namensgleichheit mit der Gildenmeisterin von Graceful Tiger kein Zufall. Wie sich kürzlich herausstellte, sind wir Schwestern, jedoch erfuhr ich davon erst, nachdem ich ein paar Nachforschungen angestellt hatte. Mein Vater er … er war ein schlechter Mensch. Ich konnte noch nicht einmal denken, da verkaufte er mich an ein Labor, das sich mit dem Manapool der Magier auseinandersetzte … und daneben heimlich Experimente an Menschen durchführte. Warum er das getan hat, weiß ich nicht, aber er war wohl nicht glücklich mit der Tatsache, dass ich keines seiner magischen Gene geerbt hatte. Ich wurde von Wissenschaftlern aufgezogen, die nicht meine Eltern waren und deren Methoden auch sicher nicht die waren, die man als Eltern eigentlich anwenden sollte …“ Kurz hielt Misaki inne und holte tief Luft. Es fiel ihr absolut nicht leicht, über diese Vergangenheit zu reden, die ihr so viel zerstört hatte, bzw. so viele Möglichkeiten auf ein vollkommen normales Leben verwehrt hatte.
„Meine Magie kommt daher natürlich nicht von ungefähr. Als ich 10 Jahre alt war, wurden die Tests intensiver. Sie prüften meine Gesundheit und die Reaktion meines Körpers auf verschiedene, magische Objekte. Letzten Endes unterzogen sie mich dann einer Operation, während der mir ein Drachen-Lacryma eingesetzt wurde.“ Erneut musste sie inne halten, um die Schmerzen zu verbannen, die plötzlich durch ihren Körper zuckten. Zwar waren die Wunden schon längst verheilt, dennoch schmerzten sie hin und wieder. Etwas, das man gemeinhin wohl als Phantomschmerzen bezeichnete. Für einen Moment schloss sie ihre Augen, konzentrierte sich und verbannte die grausamen Erinnerungen wieder in die Tiefen ihrer Gedanken. Noch einmal holte sie tief Luft, ehe sie begann ihre Geschichte zu beenden: „Ich war 16 Jahre alt, als ich es schaffte, aus dieser Einrichtung zu fliehen. Danach reiste ich lange Zeit ziellos umher, unfähig mich irgendjemandem zu öffnen oder um Hilfe zu bitten. Irgendwann begann ich dann, nach Überlebenden meiner Familie zu suchen und stieß auf Reika. Allerdings war mir klar, dass ich ihr in diesem Zustand niemals unter die Augen treten könnte. Ich bin ihre ältere Schwester und doch habe ich in meinem Leben bisher absolut nichts erreicht. Also schloss ich mich Heroic Dragon an, in der Hoffnung, stärker zu werden und meinem Namen irgendwann gerecht zu werden.“ Sie senkte ihren Blick auf das dunkle Getränk in ihrer Tasse und schwenkte diese ein paar Mal hin und her. Dann sah sie Ashley aus dunklen, traurigen Augen an, während sie die Tasse weg stellte und langsam ihre Bluse öffnete. „Das hier ist alles, was ich neben meiner Magie von damals mitgenommen habe und das einzige, was mich immer wieder grausam an das erinnert, was geschehen ist.“ Mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen entblößte die Rothaarigen ihren Bauch, der gebrandmarkt war von der riesigen, unschönen Narbe, die sich von ihrem Bauchnabel bis zu ihrer Brust zog. „Menschen können anderen Menschen schreckliche Dinge antun. Und ich wollte all das nie wieder durchmachen. Deswegen … habe ich mich bisher immer versteckt gehalten. Und ich denke, dass ich das so bald wohl nicht gänzlich werde ablegen können.“

Misaki hatte ein ganz seltsames Gefühl in der Magengegend. Eines, das zum Einen Glück verströmte, zum Anderen unendliche Traurigkeit und das Gefühl von Einsamkeit. War es dieses Gefühl, das manche Menschen zum Weinen brachte? In ihrem ganzen Leben hatte Misaki noch nie geweint und auch jetzt hatte sie sich zumindest soweit unter Kontrolle, dass das bisschen Wasser, das sich in ihren Augen sammelte, diesen Ort nicht verließ.
Einmal musste sie hart schlucken, dann begann Ashley endlich zu reden. Die Stille, die nach Beenden ihrer Erzählung entstanden war, hatte sie beinahe um den Verstand gebracht. Die Scarlet hatte ihre Hand auf Misakis Bein gelegt und sah ihr nun tief in die Augen, während sie sprach. Ein bitteres Lachen entwich der Kehle der Rothaarigen, als Ashley davon sprach, dass die Forscher und ihr Vater allesamt hinter Gitter gehörten. „Nun, mein Vater ist tot“, gab sie gepresst von sich. Was mit den Forschern geschehen war, wusste sie natürlich nicht zu sagen. Allerdings stimmte sie ihrer Partnerin durchaus zu. All diese Leute hatten es nicht verdient, weiterhin auf freiem Fuß zu sein. Wenn sie noch wüsste, wo das Forschungslabor sich befand, wäre sie vermutlich schon längst dort vorbei gegangen. Doch wer weiß, was sie dann für eine Richtung eingeschlagen hätte …
Ihr Blick lag auf dem ihrer Gesprächspartnerin, während diese ihr ein Versprechen gab, das Misaki zum Einen sehr berührte, zum Anderen jedoch auch eine gewisse Sorge in ihr weckte. „Du … danke. Für dein Verständnis und deinem Versprechen aber du musst dich nicht für mein Wohl verantwortlich machen. Ich möchte nicht, dass du irgendetwas für mich riskierst, was zu wertvoll ist – wie dein Leben.“ Ihr Blick war ernst, auch wenn irgendwo hinter dieser Ernsthaftigkeit unendliche Dankbarkeit lag. Sie wollte um keinen Preis der Welt, dass man sich ihretwegen etwas aufbürdete. „Es würde mir vollkommen reichen, wenn du …“ Sie brach ab und legte vorsichtig eine Hand auf die Ashleys. „… darauf Acht gibst, mein Herz nicht zu zerbrechen. Weil ich es hiermit gänzlich in deine Obhut geben möchte.“ Sicher sprach sie nur sinnbildlich davon, doch Ashley würde schon verstehen, was sie meinte. Ob jetzt wohl ein Kuss angebracht war …? Misaki war sich unsicher. Trotzdem näherte sie sich Ashley vorsichtig und drückte ihre Lippen erst zaghaft, dann etwas fester auf die der Scarlet. Auch dieses Mal hatte diese Berührung genau den gleichen Effekt, wie beim ersten Mal und augenblicklich fragte sie sich, ob dieses Gefühl wohl immer das gleiche sein würde. Wenn ja, konnte sie nicht versprechen nicht davon abhängig zu werden.

Ein leichter Rotschimmer bedeckte Misakis Wangen, als sie sich langsam wieder von Ashley entfernte. Ihre Hand ruhte jedoch noch immer auf der ihrer Partnerin. Es war ungewohnt, nun von Ashley als ihre „Freundin“ zu denken, doch mit ihren letzten Worten hatte sie der Scarlet gegenüber offiziell zugegeben, dass sie eine Beziehung mit ihr führen wollte. Auch wenn Ashleys Worte sie durchaus berührten, schüttelte sie jedoch den Kopf, als diese fertig gesprochen hatte und entgegnete knapp: „Von sowas wollen wir gar nicht erst anfangen. Niemandes Leben ist mehr wert, als das eigene, da bin ich mir ziemlich sicher.“ Und auch wenn sie in Ashleys Nähe ein unglaublich gutes Gefühl hatte, so war es doch schwer für sie, sich vorzustellen mit dieser Frau den Rest ihres Lebens zu verbringen. Nicht, weil sie glaubte irgendwann die Nase voll von Ashley zu haben, sondern viel eher, weil ihr eine solche Zukunft sehr unwirklich vorkam. Ebenso kam es ihr sehr unwirklich vor jemanden zu haben, der sie so sehr liebte, um für sie sogar durchs Feuer zu gehen. Denn sie selbst war sich trotz  allem immer noch am nächsten. Ob sie Ashley damit wohl verletzte? Wenn ja, dann tat es ihr leid, doch war das nun einmal die Art und Weise wie sie fühlte und dachte.
Langsam griff sie wieder nach ihrer Tasse und nahm einen erneuten Schluck von dem nun fast gänzlich erkalteten, schwarzen Tee. Kurz verzog sie ein wenig das Gesicht, schluckte jedoch runter und stellte die Tasse dann wieder ab. Kalter Tee war ekelhaft … „Tja … nun habe ich so lange und so viel geredet, dass der Tee kalt geworden ist“, grummelte sie, wobei sie jedoch keinesfalls enttäuscht aussah – viel eher schmunzelte sie sogar fast ein wenig. „Aber es hat gut getan, dir davon zu erzählen. Danke.“ Irgendwie schien es zur Gewohnheit zu werden, dass die Rothaarige sich nun für fast alles bedankte, was Ashley für sie tat. Nur für die Rettungsaktion vom gestrigen Tag hatte sie sich noch nicht bedankt und hielt das auch nicht mehr für nötig.

Ashley bot an, neuen Tee aufzusetzen und Misaki nahm dies gern an. „Nun, kalter schwarzer Tee ist leider nahezu ungenießbar“, entgegnete sie und deutete mit einem seichten Nicken auf ihre Tasse. Dann ließ sie endlich Ashleys Hand los und lehnte sich ein wenig zurück. Einmal holte sie tief Luft und schloss ihre Augen. „Ich habe absolut keine Erfahrung mit irgendwelchen … Beziehung und schon gar nicht mit einer … solchen. Du solltest dir also lieber nicht allzu viel versprechen“, gab sie zurück und öffnete ein Auge, um mit diesem Ashley zu beobachten. Sie war sich vollkommen im Klaren darüber, welches Tempo sie meinte und von was sie sonst noch sprach. Doch alles, was sie darüber wusste, hatte sie aus irgendwelchen Büchern, die sie während ihrer Reisen hin und wieder gelesen hatte, wobei sie diese Szenen zumeist einfach übersprang. Im Regelfall waren Beziehungen ihr in Büchern stets viel zu kitschig dargestellt – dabei war in einer Beziehung ganz sicher nie alles Friede-Freude-Eierkuchen. Und so etwas wollte Misaki auch gar nicht führen. Sie hatte dieses neue, glückliche Selbst zwar gern, doch bedeutete das noch lange nicht, dass sie all ihre alten Macken einfach so abschütteln würde.
Langsam richtete sie sich wieder auf und deutete zu dem Bild hinüber, das sie zuvor angestarrt hatte. „Das ist deine Schwester?“, fragte sie mit einem kurzen Blick zwischen Ashley und dem Bild hin und her, ehe er wieder auf den beiden Personen haftete, von denen eine ganz eindeutig die Scarlet war. Die eindeutig ältere Person daneben hatte recht große Ähnlichkeit mit Ashley und demnach auch mit deren Großmutter, was die Frage Misakis eigentlich eher rhetorisch wirken ließ. „Ich fürchte die Geschichte, die dahinter steckt, kenne ich auch noch nicht gänzlich, oder?“ Tatsächlich interessierte es sie brennend, was zwischen Ashleys Schwester und der ehemaligen Gildenmeisterin von Violent Phoenix wohl vorgefallen war, dass es zum Tod der Ersteren gekommen war. Außerdem hatte sie der Rothaarigen von ihrer eigenen, schrecklichen Vergangenheit erzählt. Es war also nur gerecht, dass nun Ashley ein bisschen was erzählte.

Natürlich sah Ashley auf der Stelle zu, dass sie neuen Tee kochte. Während die Scarlet in der Küche war, sah Misaki sich noch ein wenig weiter in dem geräumigen Wohnzimmer um. Es gab hier nicht nur Rüstungen, sondern auch jede Menge Fotos, die immer wieder daran erinnerten, wessen Nachfahre Ashley war. Misaki spürte, wie Neid in ihr aufkam. Zwar hatte auch Ashley sicher Tragisches erlebt, doch wenigstens hatte sie Ahnen, auf die sie stolz sein konnte.
Als Ashley mit dem Tee zurück kam, nahm Misaki ihre Tasse nickend entgegen und nahm sofort einen Schluck. So war das gute Getränk doch sehr viel besser. Zufrieden mit sich und der Welt richtete sie ihre volle Aufmerksamkeit auf ihre Freundin und zuckte knapp mit den Schultern. „Wie gesagt, ich habe in diesem Gebiet nicht einmal den Ansatz einer Idee, wie ich vorzugehen hätte. Und ich glaube, dass du trotz ebenfalls fehlender Erfahrung sicher eine bessere Vorgehensweise hast, als ich“, erklärte sie mit einem etwas seltsames Ausdruck in ihrem Gesicht. Es war eine Mischung aus leichtem Zweifel und einem leichten Schmunzeln. Dieses Schmunzeln verwandelte sich jedoch schnell wieder in den typisch ernsten Ausdruck, den die Kinoshita sonst so oft trug, als Ashley damit begann, ihre Frage zu der älteren Scarlet zu beantworten. Yuri.
Es dauerte eine ganze Weile, bis Misaki die ganze Geschichte gehört hatte und die ganze Zeit über schwieg sie, keine äußerliche Regung zeigte, was während Ashleys Erzählung in ihr vorging. Und es war eine ganze Menge, was durch Misakis Kopf raste. Fragen wie „Sie war Bluter?“ und „Sie wurde mit Samthandschuhen angefasst?“ schwirrten an ihren Gedanken vorbei, waren jedoch eher nebensächlich. Viel eher versuchte sie sich zu erinnern, ob sie irgendetwas über die vorherige Gildenmeisterin von Violent Phoenix mehr wusste, als nur ihren Namen. Allerdings konnte sie das nach einer kurzen Überlegung innerlich verneinen. Als Ashley zu dem Teil kam, dass sie Fairy Tail verlassen hatte, weil sie es nicht ertragen konnte, von ihrer Schwester weiterhin wie ein Schwächling bemuttert zu werden, wusste Misaki nicht ganz, ob sie sich darüber ärgern oder Verständnis haben sollte. Allerdings hätte sie vermutlich ähnlich reagiert und somit konnte sie Ashley diesbezüglich keinerlei Vorwürfe machen. Doch all das war nebensächlich, wenn man die größte aller Fragen betrachtete: Wie sollte sie darauf jetzt reagieren, was sollte sie sagen? Dementsprechend entstand eine unglaublich lange Pause zwischen Ashleys Erzählung und Misakis Reaktion.
Noch immer hatte sie das ernste Gesicht aufgesetzt, als sie zu sprechen begann: „Nun, die Politik mancher Gilden und der Gilden untereinander ist ohnehin sehr fragwürdig, sei es nun Violent Phoenix oder Cursed Gryphon und was die Kopfgeldjäger angeht ist es sowieso nur eine Frage der Zeit, bis sie nicht mehr so neutral sind, wie sie sich geben.“ Ja, das war etwas, über das Misaki sich sehr oft und lange Gedanken gemacht hatte: Politik. Nicht zuletzt um sich einen besseren Überblick darüber zu verschaffen, wo genau ihre Schwester stand. Allerdings war es nicht die Politik, um die es hier in diesem Gespräch in erster Linie ging. Hier ging es um Ashleys Vergangenheit, den Tod ihrer Schwester und das Verschwinden derer, die diesen Tod verursacht hatte. Langsam aber sicher verschwand die Härte aus Misakis Gesicht und ihre Augen begannen, Mitgefühl auszustrahlen, auch wenn Ashley das für den Moment nicht sehen konnte, da ihr Gesicht in ihren Handinnenflächen begraben war.
Langsam griff die Rothaarige nach einer Hand ihrer Freundin und zog diese von ihrem Gesicht weg und zu sich hin, sodass Ashley leicht nach vorn kippte und direkt in einer etwas unbeholfenen Umarmung seitens Misakis landete. „Ich weiß, dass du schrecklich gelitten hast, aber Rache ist nicht der richtige Weg. Violent Phoenix wird seiner gerechten Strafe unterzogen werden, da bin ich mir ganz sicher, aber du wirst das nicht allein durchstehen müssen.“ Mit der Hand, die nicht die Ashleys hielt, begann sie ihr vorsichtig über das lange, rote Haar zu streichen. Sie wusste, dass das eine beruhigende Bewegung war und hoffte, dass Ashley darauf anspringen würde. Wirklich viel sagen konnte sie zu diesem ganzen Thema nämlich nicht weiter. Eigentlich war es ihr sogar ziemlich unangenehm, Ashley dabei zuzusehen, wie sie trauerte und selbst nichts dagegen tun zu können, außer sie etwas unbeholfen in die Arme zu nehmen.

Misaki hatte ein ganz seltsames Gefühl bei dieser Umarmung. Mitunter lag das wohl daran, dass die an ihre Schulter gelehnte Scarlet tatsächlich zu weinen schien und Misaki mit diesem Ausbruch der Gefühle absolut nichts anzufangen wusste. Wenn Menschen weinten war das für sie noch schlimmer, als wenn sie unglaublich gut gelaunt waren. Beide Situationen waren für sie unangenehm, doch das Weinen einer Person verursachte bei ihr eine Art von Magenkrämpfen. Dass es zu allem Überfluss nun auch noch Ashley war, die weinte, ließ Misakis Herz sich ein wenig zusammenziehen.
„Ich geb‘ mir Mühe“, entgegnete sie knapp und verharrte weiterhin in dieser überaus ungewohnten Position. Es fühlte sich so unglaublich unnatürlich an, jemanden in den eigenen Armen zu halten, noch dazu wenn diese Person fast genauso groß war, wie man selbst. Bei Kindern mochte sie das vielleicht noch verstehen – auch wenn sie selbst keine Kinder mochte – doch bei Ashley war es doch ein zu eigenartiges Gefühl. Das sorgte auch dafür, dass Misaki ein wenig steif in der Umarmung wirkte. Doch nach einer Weile wurde es für sie unangenehm und auch wenn sie das Gefühl hatte, Ashley damit keinen Gefallen zu tun, unterbrach sie diese extreme Nähe vorsichtig, indem sie sich aus der Umarmung schelte und statt ihre Freundin anzusehen zur Decke blickte. „Uuund … nun?“ Es war mittlerweile Abend geworden und besonders viel unternehmen konnten sie wohl kaum mehr, auch wenn es Misaki ein wenig in den Fingern juckte, rauszugehen. Vielleicht ließ Ashley sich ja sogar zu einem Nachtspaziergang überreden, immerhin waren Spaziergänge im Mondschein angeblich ja etwas sehr romantisches. „Ich gehe um diese Uhrzeit normalerweise raus in den Wald. Bei Nacht ist er noch schöner, als am Tag.“ Nicht zuletzt wohl deshalb, weil es nachts sehr viel ruhiger war und Misaki in der Nähe von Bäumen besser entspannen und nachdenken konnte.

Kurz wirkte Ashley etwas widerwillig, ließ Misaki die Umarmung jedoch letztlich lösen und so konnten sie einander wieder in die Augen sehen. Auf den Vorschlag zu einem Spaziergang reagierte die Scarlet recht positiv und erhob sich auch direkt, um etwas aus der Küche zu holen. Diese Zeit nutzte Misaki, um ihre Tasse zu leeren und sich dann ebenfalls zu erheben. „Ich hoffe es ist in Ordnung, wenn ich meine Tasche hier lasse?“ Nachdem sie vom Auftrag gekommen waren, hatte Misaki sich nicht noch einmal nach Hause begeben, sondern den ganzen Weg über ihre Tasche mitgehabt. Nun stand diese direkt neben Ashleys Schuhschrank, so als würde sie dort schon immer einen festen Platz haben.
Dort hing auch irgendwo Misakis Jacke, die sie beim Eintreten an einen Haken gehängt hatte und sie nun von dort wieder abnahm, um sie sich anschließend überzuhängen. Sie zog sie nicht gänzlich an, denn so kalt war es um diese Uhrzeit zur gegebenen Jahreszeit noch nicht. Aber immerhin bei sich haben wollte sie das Kleidungsstück. Ashley war derweil mit ein paar kleinen Eisenstangen wiedergekommen und knabberte bereits hungrig darauf herum. Jetzt, wo Misaki so darüber nachdachte, hatte sie tatsächlich auch ein wenig Hunger. Hunger, den sie spätestens im Wald wohl würde stillen können.
Ihrer Freundin folgende trat sie aus dem Haus heraus und blickte sofort gen Himmel. Die Sterne, die sich dort eigentlich befanden, waren aufgrund der hell erleuchteten Straßen nur schwer zu erkennen, doch hier und da funkelte tatsächlich der eine oder andere. Nachdem Ashley die Haustür hinter sich geschlossen hatte, übernahm Misaki die Führung in Richtung des Waldes ganz in der Nähe der Stadt.

tbc: Wald in der Nähe Magnolias

cf: Wald in der Nähe Magnolias

„Mh, sie wusste nicht, wer ich bin, während ich davon wusste“, entgegnete Misaki nachdenklich, während sie an ihrer Rinde knabberte. „Daher war sie etwas irritiert, als ich sie darauf ansprach. Die ganze Sache hat sie dann aber erstaunlich gefasst und durchaus auch erfreut hingenommen.“ Kurz schüttelte die Rothaarige den Kopf. Sie hätte gern genauso reagiert, doch zu diesem Zeitpunkt war es für sie nicht einmal ansatzweise vorstellbar gewesen, jemals auf diese Weise zu agieren, wie Reika es tat. Mittlerweile … nun, zumindest ein bisschen offener würde sie gewissen Personen gegenüber nun mit Sicherheit sein.
Ashley willigte ein, den Heimweg anzutreten und so liefen sie genau so zurück, wie sie gekommen waren. Dieses Mal hüllte Misaki sich wieder in Schweigen, unwissend, was sie noch groß sagen sollte. Außerdem genoss sie die Stille, die sie umgab und den Geschmack des Holzes auf ihrer Zunge. Bevor man ihr das Lacryma eingepflanzt hatte, war es für sie undenkbar gewesen, jemals Holz zu essen, doch nun tat sie dies schon so viele Jahre, dass es eine komplette Regelmäßigkeit geworden war. Das bedeutete aber noch lange nicht, dass sie einfach so durch die Gegend lief und überall am Holz knabberte, wenn ihr gerade danach war. Allgemein war sie eher glücklicher damit, wenn andere Leute nicht unbedingt mitbekamen, welche Magie sie beherrschte. Etwas überrascht wanderte ihr Blick zu ihrer Hand hinunter, als sie spürte, wie sich eine andere darum schloss. Ashley hatte also nach ihrer Hand gegriffen. Eine leichte Panik stieg in ihr auf, als sie sich umsah, um sicher zu gehen, dass das auch ja niemand zu sehen bekam. Zwar mochte sie in Ashleys Gegenwart zu ihren Gefühlen stehen, doch für andere Leute galt das nicht. Dementsprechend unwohl fühlte sie sich bei dieser Berührung und bereits nach wenigen Minuten musste sie ihre Hand tatsächlich aus dem Griff der Rothaarigen ziehen. Dabei warf sie ihr einen halbwegs entschuldigenden Blick zu. Vielleicht verstand Ashley ja, wieso sie das tat.
Als die beiden die Wohnung erreichten und Ashley aufschloss, hatte Misaki das erschreckende Gefühl vom Heimkommen und blieb einen Moment unsicher in der Mitte des Wohnzimmers stehen, den Blick starr nach vorn gerichtet. Sie war gerade einmal ein paar Stunden hier gewesen und nun hatte sie schon das Gefühl, hier zuhause zu sein? Oder hatte das lediglich mit Ashleys Anwesenheit zu tun? Kurz schüttelte sie den Kopf und strich sich durchs Haar. „Ich … werde mich dann mal umziehen“, murmelte sie und tappte ohne einen weiteren Kommentar zu ihrer Tasche, nachdem sie ihre Jacke wieder von ihren Schultern genommen und ihre Schuhe ausgezogen hatte. Bewaffnet mit Schlafsachen verschwand sie kurzerhand im Badezimmer und schloss die Tür ab.

Als Misaki die Tür hinter sich abgeschlossen hatte, lehnte sie sich noch einen Moment gegen die Wand und atmete tief durch. Sie war sich nicht ganz sicher, was sie nun tun sollte, wie sie sich verhalten sollte und warum es sie so verunsicherte, sich hier zuhause zu fühlen. Was verursachte überhaupt dieses Gefühl? War es der Gedanke daran, dass Ashley im Zimmer nebenan war und darauf wartete, dass sie heraus kam oder war es der Duft, der überall hier in den Luft hing und sie an die Rothaarige erinnerte? Vor allem hier im Badezimmer gab es nichts, was nicht irgendwie Ashleys Geruch widerspiegelte. Zögernd warf Misaki einen Blick in den Spiegel, der direkt vor ihr hing und erschrak für einen kurzen Moment über sich selbst. Trotz der wirren Gedanken, die durch ihren Kopf rasten, lag auf ihren Lippen etwas, das sie so bei sich noch nie gesehen hatte. Ein Lächeln. Es mochte nur klein sein, die Mundwinkel waren nur leicht nach oben gezogen, doch es war unverkennbar. Misaki lächelte. Schnell wandte sie ihren Blick wieder ab und begann, sich auszuziehen, um anschließend in die Schlafklamotten von letzter Nacht zu kriechen. Normalerweise zog sie sich etwas Neues an, wenn sie nach Hause kam und trug nicht die Schlafsachen einer Mission noch einmal auf, doch heute war sie ja nicht in ihrer Wohnung und musste daher ein wenig improvisieren. Das Nachthemd war durch das Lange Ruhen in der Tasche stark zerknittert, weshalb Misaki mit ein paar kräftigen Strichen versuchte, es einigermaßen zu glätten – was ihr gelang. Nur zur Hälfte zufrieden wandte sie sich anschließend noch einmal an den Spiegel, atmete zweimal tief durch und schloss dann die Tür wieder auf, um nach draußen zu treten. Der Flur war leer, Ashley war wohl bereits auf ihr Zimmer gegangen. Schnell stellte die Magierin ihre Tasche wieder im Wohnzimmer ab und lief dann zögernd zu der Tür von der sie wusste, dass sie ins Schlafzimmer führte. Die Tür stand offen und so kam sie gar nicht umhin, hinein zu schauen. Ashley hatte sich rücklinks aufs Bett geworfen und lag nun, gekleidet in ein Nachthemd, reglos da und starrte an die Decke. Leise räusperte Misaki sich. „Du … kannst dann ins Bad, wenn du willst“, meinte sie und machte einen Schritt ins Zimmer hinein, wobei sie sich neugierig umsah. Auch hier drang wieder dieser Duft an ihre Nase, der ihr Herz ein wenig schneller schlagen ließ. Dragonslayer hatten besonders gute Nasen, weshalb sie den Geruch sogar noch intensiver wahrnahm, als normale Menschen. Sie konnte nicht ganz sagen, ob es Parfüm war oder der natürlich Geruch der Scarlet – vielleicht auch eine Mischung von beidem, doch Fakt war, dass sie ihn als unglaublich angenehm empfand.
Nach ein paar Schritten war sie an Ashleys Bett angekommen und sah mit vor der Brust verschränkten Armen auf die Rothaarige hinab. Eine Frage gab es nämlich noch, die unbedingt geklärt werden musste. „Wo soll ich schlafen? Gib mir eine Decke und ich mach es mir auf dem Sofa gemütlich.“ Zwar war das Sofa nicht unbedingt ein Platz, an den Misaki sich gern verbannen ließ, doch war sie hier Gast und das Sofa war immer noch besser, als der Teppich auf dem Boden.

Als Ashley sich erhob, bestand sie darauf, Misaki das Bett zu geben und selbst auf dem Sofa zu nächtigen. Etwas überrascht von dieser Reaktion nickte Misaki leicht benommen und folgte mit ihrem Blick den Bewegungen der Scarlet, die an ihr vorbei ging und ihr eine gute Nacht wünschte. Sie fühlte sich allgemein mit der Situation ein wenig überfordert, weshalb sie absolut nichts mehr zu erwidern wusste und nur dabei zusehen konnte, wie Ashley aus dem Zimmer ging und den Weg zum Wohnzimmer einschlug. Noch ein paar Herzschläge blieb Misaki reglos stehen, dann wandte sie sich wieder zu dem Bett um. Es war locker groß genug, um für zwei Personen zu reichen. Eine Größe, die die Rothaarige normalerweise nicht gewohnt war. Ihr eigenes Bett reichte geradeso für sie selbst. Vorsichtig ließ sie sich darauf nieder und machte ein paar Bewegungen auf und ab, um die Feste der Matratze zu überprüfen. Und sie war genau richtig. Ihr Körper würde sich darauf wunderbar entspannen können. Keinen Moment dachte sie daran, sie hätte vielleicht irgendetwas sagen können – bis sie im Bett lag und sich die Decke über den Körper zog. Plötzlich war es dunkel und ruhig um sie herum, so wie auch zuhause, doch roch es hier überall nach Ashley und das, obwohl die Rothaarige nicht einmal in diesem Raum war. Einige Minuten lang warf Misaki sich immer wieder hin und her, von rechts nach links und wieder zurück, doch langsam aber sicher machte ein Gedanke, ein Wunsch sich in ihr breit. Die letzte Nacht hatte Ashley direkt neben ihr gelegen. Zwar war ein kleiner Gang zwischen ihnen gewesen, doch hatte sie den Atem der Magierin hören können, ihren Herzschlag vernommen und war dadurch unweigerlich in einen ruhigen Schlaf gesunken. Nun schien sie diese Geräusche zu vermissen. Die Stille und die Schwärze der Nacht hingen um sie wie ein drohender Schleier, den sie gern zur Seite schieben wollte. Immer wieder versuchte sie sich einzureden, dass ihre Gedanken kompletter Schwachsinn waren und sie einfach nur die Augen schließen musste, um einzuschlafen, doch nach einer gefühlten Ewigkeit entschied sie sich schweren Herzens dazu, sich eingestehen zu müssen, dass sie Ashley, trotz der Tatsache dass sie beide im gleichen Haus, ja sogar in der gleichen Wohnung waren, vermisste. Und es waren nicht nur der Klang ihres Herzschlags und ihrer Atemzüge, die sie vermisste.
Schweren Herzens setzte die Rothaarige sich auf und strich sich ein paar Mal mit den Handflächen übers Gesicht, ehe sie ein paar Minuten lang schweigend an die Wand vor ihr starrte. 'Ich kann Ashley doch nicht einfach zu mir holen. Was, wenn sie schläft? Und was wird sie wohl von mir denken, wenn ich sie jetzt einlade, sich neben mich zu legen?' Misakis Gedanken rasten und sie spürte, wie ein gewisser Zorn sie überkam. Sie war wütend auf sich selbst, auf ihre fehlende Beherrschung, ihre bröckelnde Fassade und ihre Unschlüssigkeit. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und sie biss so lange auf ihrer Unterlippe herum, bis sie Blut schmeckte. Ihr ganzes Leben lang war sie verschont geblieben. Verschont von diesen Empfindungen, diesen Emotionen und dem Wunsch des Beisammenseins. Und nun drohten all diese Dinge sie zu erdrücken. Sie spürte sogar, wie ihre Kehle sich langsam zuschnürte und sie immer schwerer Luft bekam. Daher stand sie auf, wankte zum Fenster hinüber und öffnete dieses, um frische Nachtluft herein zu lassen. Augenblicklich fröstelte es sie ein wenig, doch störte sie sich daran nicht. Mit tiefen Atemzügen versuchte sie, ihre rasenden Gedanken zu beruhigen. Sie war kurz davor, ihre geballte Faust gegen die Wand zu schlagen, doch ehe es dazu kam, riss sie die Tür des Schlafzimmers aus und stapfte nach draußen. Sie war sich nicht wirklich sicher, ob das, was sie tun wollte, eine gute Idee war, doch war es eher ein Impuls, der sie dazu verleitete und als sie realisierte, was sie getan hatte, war es bereits zu spät. „Ashley!“, rief sie in die Schwärze hinein und blickte in genau die Richtung, in der Sie das Sofa vermutete. Langsam ging sie darauf zu. „Ich will nicht, dass du meinetwegen in deiner eigenen Wohnung auf dem Sofa schlafen musst. Außerdem möchte ich dich gern bei mir haben. Neben mir. Weil ich dich nämlich auch liebe!“ Ihr Atem ging schnell und ihre Augen weiteten sich, sobald sie verstand, was genau sie da gerade gesagt hatte. Augenblicklich schlug sie sich eine Hand vor den Mund und machte einen Schritt zurück – war sie doch kurz zuvor direkt vorm Sofa stehen geblieben. Sie spürte, wie ihr Herz raste und ihr Hals langsam trocken wurde. 'Was zur Hölle war das?' War es das gewesen, was die Leute als emotionalen Ausbruch bezeichneten?

Misaki war gänzlich mit sich und diesem … Gefühlsausbruch überfordert. Die Hand noch immer vor den Mund gehalten stand sie reglos da und hörte, wie ihr Herz rasend schnell auf und ab schlug. Es klang, als würde das Pochen direkt in ihrem Kopf seinen Ursprung haben. So hörte sie nur halb das leise Knarksen des Sofas, als Ashley sich erhob und auf sie zutrat. Als zwei Arme sich um ihren Oberkörper schlangen, zuckte Misaki leicht zusammen und wurde augenblicklich in die Realität zurück geworfen. Die Realität, in der sie Ashley soeben ihre Liebe gestanden hatte und die Rothaarige nun ihre Arme um sie gelegt hatte, um sie an sich zu drücken. Langsam ließ Misaki ihre Hände sinken und ihr Körper verlor ein wenig an Anspannung. Sie hatte sich lange genug gewehrt und war dessen müde. Ihr war es gelungen, Ashley die Wahrheit zu sagen und auch wenn sie sich fühlte, als wäre sie der größte, liebestrunkene Trottel auf der ganzen Welt, so spürte sie doch eine unglaubliche Ruhe in sich aufsteigen. Ihr Kopf sank auf Ashleys Schulter und sie schloss für einen Moment die Augen, während sie leise Stimme der Scarlet an ihr Ohr drang. „Ich fühle mich seltsam“, murmelte sie und richtete sich langsam wieder auf. Ihre Augen blickten nach vorn, wo sie schemenhaft das Gesicht der Rothaarigen erblicken konnte. „Weinst du etwa?“, fragte sie überrascht, als sie die leisen Tränen sah, die an der Wange der Scarlet hinab kullerten.

Ashley erklärte ihr, nur etwas überrumpelt worden zu sein, doch aus Freude weinte. Darauf schüttelte die Rothaarige leicht den Kopf. „Falls es dich beruhigt kann ich dir sagen, dass ich mich selbst überrumpelt habe“, murmelte sie und lächelte zaghaft, als Ashley nach ihren Händen griff und sie hinter sich her in ihr Zimmer zog. So, wie es aussah, war es der Scarlet nicht anders ergangen, als Misaki. Auch sie hatte sich seltsam leer gefühlt und daher nicht einschlafen können. Aber das behielt Misaki für sich. Sie hatte wohl genug gesagt und brauchte nicht noch einmal zum Ausdruck zu bringen, wie sehr sie sich darüber freute, das Ashley sich nun zu ihr legte. Als die beiden das Zimmer betraten wehte ihnen ein kalter Wind entgegen und Misaki schloss es wieder und klappte es anschließend nur an. Ein wenig frische Luft würde ihnen sicher noch gut tun, doch zu viel davon sorgte nachher noch für eine Erkältung. Als sie Ashley wieder ihre Aufmerksamkeit schenkte bestätigte sich ihre Vermutung, dass die frische Luft ihnen gut tun würde. Die Rothaarige war offensichtlich ziemlich aufgedreht und rollte halb über das Bett, während Worte wie ein Wasserfall ihre Lippen verließen. Langsam ließ Misaki sich neben ihr auf der Bettkante nieder und legte eine Hand an Ashleys Wange. Dabei spürte sie, dass deren Worte sie ein wenig verlegen gemacht hatten, da ihre eigenen Wangen zu brennen begannen. „Ganz ruhig. Ich bin mir nicht ganz sicher, woher du diese Energie auf einmal nimmst, ich fühle mich nämlich, als könnte ich 10 Stunden durch schlafen. Vielleicht tust du mir also den Gefallen und beruhigst dich ein wenig?“ Normalerweise hätten ihre Worte jetzt harsch und unfreundlich geklungen, doch unter den gegebenen Umständen und da sie sich an Ashley richteten, waren sie ruhig und sogar ein wenig liebevoll, was das noch immer auf ihren Lippen liegende Lächeln nur noch intensiver zu machen schien. Anschließend nahm sie ihre Hand wieder von Ashleys Wange und rutschte unter die Decke.