Ashleys Wohnung

Als Ashley sich erhob, bestand sie darauf, Misaki das Bett zu geben und selbst auf dem Sofa zu nächtigen. Etwas überrascht von dieser Reaktion nickte Misaki leicht benommen und folgte mit ihrem Blick den Bewegungen der Scarlet, die an ihr vorbei ging und ihr eine gute Nacht wünschte. Sie fühlte sich allgemein mit der Situation ein wenig überfordert, weshalb sie absolut nichts mehr zu erwidern wusste und nur dabei zusehen konnte, wie Ashley aus dem Zimmer ging und den Weg zum Wohnzimmer einschlug. Noch ein paar Herzschläge blieb Misaki reglos stehen, dann wandte sie sich wieder zu dem Bett um. Es war locker groß genug, um für zwei Personen zu reichen. Eine Größe, die die Rothaarige normalerweise nicht gewohnt war. Ihr eigenes Bett reichte geradeso für sie selbst. Vorsichtig ließ sie sich darauf nieder und machte ein paar Bewegungen auf und ab, um die Feste der Matratze zu überprüfen. Und sie war genau richtig. Ihr Körper würde sich darauf wunderbar entspannen können. Keinen Moment dachte sie daran, sie hätte vielleicht irgendetwas sagen können – bis sie im Bett lag und sich die Decke über den Körper zog. Plötzlich war es dunkel und ruhig um sie herum, so wie auch zuhause, doch roch es hier überall nach Ashley und das, obwohl die Rothaarige nicht einmal in diesem Raum war. Einige Minuten lang warf Misaki sich immer wieder hin und her, von rechts nach links und wieder zurück, doch langsam aber sicher machte ein Gedanke, ein Wunsch sich in ihr breit. Die letzte Nacht hatte Ashley direkt neben ihr gelegen. Zwar war ein kleiner Gang zwischen ihnen gewesen, doch hatte sie den Atem der Magierin hören können, ihren Herzschlag vernommen und war dadurch unweigerlich in einen ruhigen Schlaf gesunken. Nun schien sie diese Geräusche zu vermissen. Die Stille und die Schwärze der Nacht hingen um sie wie ein drohender Schleier, den sie gern zur Seite schieben wollte. Immer wieder versuchte sie sich einzureden, dass ihre Gedanken kompletter Schwachsinn waren und sie einfach nur die Augen schließen musste, um einzuschlafen, doch nach einer gefühlten Ewigkeit entschied sie sich schweren Herzens dazu, sich eingestehen zu müssen, dass sie Ashley, trotz der Tatsache dass sie beide im gleichen Haus, ja sogar in der gleichen Wohnung waren, vermisste. Und es waren nicht nur der Klang ihres Herzschlags und ihrer Atemzüge, die sie vermisste.
Schweren Herzens setzte die Rothaarige sich auf und strich sich ein paar Mal mit den Handflächen übers Gesicht, ehe sie ein paar Minuten lang schweigend an die Wand vor ihr starrte. 'Ich kann Ashley doch nicht einfach zu mir holen. Was, wenn sie schläft? Und was wird sie wohl von mir denken, wenn ich sie jetzt einlade, sich neben mich zu legen?' Misakis Gedanken rasten und sie spürte, wie ein gewisser Zorn sie überkam. Sie war wütend auf sich selbst, auf ihre fehlende Beherrschung, ihre bröckelnde Fassade und ihre Unschlüssigkeit. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten und sie biss so lange auf ihrer Unterlippe herum, bis sie Blut schmeckte. Ihr ganzes Leben lang war sie verschont geblieben. Verschont von diesen Empfindungen, diesen Emotionen und dem Wunsch des Beisammenseins. Und nun drohten all diese Dinge sie zu erdrücken. Sie spürte sogar, wie ihre Kehle sich langsam zuschnürte und sie immer schwerer Luft bekam. Daher stand sie auf, wankte zum Fenster hinüber und öffnete dieses, um frische Nachtluft herein zu lassen. Augenblicklich fröstelte es sie ein wenig, doch störte sie sich daran nicht. Mit tiefen Atemzügen versuchte sie, ihre rasenden Gedanken zu beruhigen. Sie war kurz davor, ihre geballte Faust gegen die Wand zu schlagen, doch ehe es dazu kam, riss sie die Tür des Schlafzimmers aus und stapfte nach draußen. Sie war sich nicht wirklich sicher, ob das, was sie tun wollte, eine gute Idee war, doch war es eher ein Impuls, der sie dazu verleitete und als sie realisierte, was sie getan hatte, war es bereits zu spät. „Ashley!“, rief sie in die Schwärze hinein und blickte in genau die Richtung, in der Sie das Sofa vermutete. Langsam ging sie darauf zu. „Ich will nicht, dass du meinetwegen in deiner eigenen Wohnung auf dem Sofa schlafen musst. Außerdem möchte ich dich gern bei mir haben. Neben mir. Weil ich dich nämlich auch liebe!“ Ihr Atem ging schnell und ihre Augen weiteten sich, sobald sie verstand, was genau sie da gerade gesagt hatte. Augenblicklich schlug sie sich eine Hand vor den Mund und machte einen Schritt zurück – war sie doch kurz zuvor direkt vorm Sofa stehen geblieben. Sie spürte, wie ihr Herz raste und ihr Hals langsam trocken wurde. 'Was zur Hölle war das?' War es das gewesen, was die Leute als emotionalen Ausbruch bezeichneten?

Misaki war gänzlich mit sich und diesem … Gefühlsausbruch überfordert. Die Hand noch immer vor den Mund gehalten stand sie reglos da und hörte, wie ihr Herz rasend schnell auf und ab schlug. Es klang, als würde das Pochen direkt in ihrem Kopf seinen Ursprung haben. So hörte sie nur halb das leise Knarksen des Sofas, als Ashley sich erhob und auf sie zutrat. Als zwei Arme sich um ihren Oberkörper schlangen, zuckte Misaki leicht zusammen und wurde augenblicklich in die Realität zurück geworfen. Die Realität, in der sie Ashley soeben ihre Liebe gestanden hatte und die Rothaarige nun ihre Arme um sie gelegt hatte, um sie an sich zu drücken. Langsam ließ Misaki ihre Hände sinken und ihr Körper verlor ein wenig an Anspannung. Sie hatte sich lange genug gewehrt und war dessen müde. Ihr war es gelungen, Ashley die Wahrheit zu sagen und auch wenn sie sich fühlte, als wäre sie der größte, liebestrunkene Trottel auf der ganzen Welt, so spürte sie doch eine unglaubliche Ruhe in sich aufsteigen. Ihr Kopf sank auf Ashleys Schulter und sie schloss für einen Moment die Augen, während sie leise Stimme der Scarlet an ihr Ohr drang. „Ich fühle mich seltsam“, murmelte sie und richtete sich langsam wieder auf. Ihre Augen blickten nach vorn, wo sie schemenhaft das Gesicht der Rothaarigen erblicken konnte. „Weinst du etwa?“, fragte sie überrascht, als sie die leisen Tränen sah, die an der Wange der Scarlet hinab kullerten.

Ashley erklärte ihr, nur etwas überrumpelt worden zu sein, doch aus Freude weinte. Darauf schüttelte die Rothaarige leicht den Kopf. „Falls es dich beruhigt kann ich dir sagen, dass ich mich selbst überrumpelt habe“, murmelte sie und lächelte zaghaft, als Ashley nach ihren Händen griff und sie hinter sich her in ihr Zimmer zog. So, wie es aussah, war es der Scarlet nicht anders ergangen, als Misaki. Auch sie hatte sich seltsam leer gefühlt und daher nicht einschlafen können. Aber das behielt Misaki für sich. Sie hatte wohl genug gesagt und brauchte nicht noch einmal zum Ausdruck zu bringen, wie sehr sie sich darüber freute, das Ashley sich nun zu ihr legte. Als die beiden das Zimmer betraten wehte ihnen ein kalter Wind entgegen und Misaki schloss es wieder und klappte es anschließend nur an. Ein wenig frische Luft würde ihnen sicher noch gut tun, doch zu viel davon sorgte nachher noch für eine Erkältung. Als sie Ashley wieder ihre Aufmerksamkeit schenkte bestätigte sich ihre Vermutung, dass die frische Luft ihnen gut tun würde. Die Rothaarige war offensichtlich ziemlich aufgedreht und rollte halb über das Bett, während Worte wie ein Wasserfall ihre Lippen verließen. Langsam ließ Misaki sich neben ihr auf der Bettkante nieder und legte eine Hand an Ashleys Wange. Dabei spürte sie, dass deren Worte sie ein wenig verlegen gemacht hatten, da ihre eigenen Wangen zu brennen begannen. „Ganz ruhig. Ich bin mir nicht ganz sicher, woher du diese Energie auf einmal nimmst, ich fühle mich nämlich, als könnte ich 10 Stunden durch schlafen. Vielleicht tust du mir also den Gefallen und beruhigst dich ein wenig?“ Normalerweise hätten ihre Worte jetzt harsch und unfreundlich geklungen, doch unter den gegebenen Umständen und da sie sich an Ashley richteten, waren sie ruhig und sogar ein wenig liebevoll, was das noch immer auf ihren Lippen liegende Lächeln nur noch intensiver zu machen schien. Anschließend nahm sie ihre Hand wieder von Ashleys Wange und rutschte unter die Decke.

„Gute Nacht, Ash.“ Unbewusst nutzte sie zum ersten mal Ashleys Spitznamen, sah im Nachhinein jedoch auch keine Not darin, ihne zurück zu nehmen. Nachdem die Scarlet sich ein wenig beruhigt hatte, war auch sie unter die Decke gekrochen und hatte sich an Misaki geschmiegt. Diese spürte die Haut der anderen Frau an sich und glaubte, sogar ihren Herzschlag fühlen zu können und störte sich somit nicht an der Nähe, die die beiden nun verband. Es dauerte gar nicht lang, da sorgten das gleichmäßige Atmen, der ruhige Herzschlag und die Nähe zwischen ihnen dafür, dass Misaki in einen tiefen und traumlosen Schlaf fiel. Ashley hatte Recht gehabt: Man bekam nicht jeden Tag gesagt, dass einen jemand liebte, doch wenn es geschah, dann fühlte man sich umso besser. Und dieses gute Gefühl sorgte dafür, dass Misaki besser schlief, als die ganzen letzten Jahre. Ob es nun daran lag, dass sie nicht mehr allein war oder daran, dass sie sich endlich ihre eigenen Gefühle eingestanden hatte, war unklar. Vielleicht lag es ja ein bisschen an beidem. Wie jede andere Nacht auch bewegte Misaki sich im Schlaf kaum einen Millimeter, drehte sich nur einmal für ein paar Minuten von Ashley weg, fand sich jedoch letztlich, als sie am nächsten Morgen erwachte, wieder in genau der gleichen Position, in welcher sie eingeschlafen war.

Als Misaki am nächsten Morgen erwachte, spürte sie etwas Schweres auf ihrem Bein und blinzelte gegen das Licht der Sonne an, während sie versuchte, an sich herab zu blicken. Zuerst fiel ihr Blick jedoch auf ein friedlich aussehendes, schlafendes Gesicht, das ganz zufälliger Weise ihrer Freundin gehörte. Kurz war sie etwas überrascht, bis ihr einfiel, was genau vorgefallen war, dass Ashley neben ihr in einem ihr fremden Bett lag. Nachdem sie also einen Moment lang an Ashleys Gesicht hängen geblieben war, sah sie weiter nach unten und nun verstand sie, wieso ihr Bein sich so schwer anfühlte. Die Rothaarige hatte eines ihrer Beine halb auf Misakis gelegt und war in der Nacht auch noch näher an sie heran gerutscht. Mühsam kämpfte Misaki eine ihrer Hände aus der Bettdecke frei und strich ihrer Liebsten dann sanft übers Gesicht. Ihr Ausbruch von vergangener Nacht hatte sie doch stärker geprägt, als sie gedacht hatte, denn nun störte sie sich absolut nicht daran, dass Ashley so nah bei ihr lag und sich an sie schmiegte. Im Gegenteil, sie genoss es. „Pst … wach auf“, flüsterte sie. Sicher hätte sie Ashley genauso gut noch schlafen lassen können, doch so wie sie das sah, war es bereits recht spät und sie wollte heute etwas unternehmen, vielleicht sogar einen Auftrag erfüllen und so sollten sie früher oder später aus dem Knick kommen. Außerdem wollte Misaki heute duschen und gut frühstücken können. Und das am Besten noch vorm Mittag.

Das Gewicht, das auf ihr lag, nahm weiter zu, als Ashley sich noch enger an sie zog und mittlerweile mit ihrem halben Körper auf ihr lag. Misaki wusste nicht, wie sie damit umzugehen hatte. Ein wenig eingeengt fühlte sie sich mittlerweile schon und sie musste unter größer Anstrengung einen Impuls unterdrücken, der sie die Rothaarige einfach hätte zur Seite schieben lassen. Stattdessen lag sie ruhig da und lauschte den Worten, die sie vor sich her murmelte. Sie schien noch zu träumen, denn Misaki tat nichts, was in irgendeiner Firm Kitzeln gleich kam. Dementsprechend irritiert rutschte sie ein wenig hin und her, blickte zwischen Fenster und Ashley hin und her und überlegte, wie sie nun vorgehen sollte. Zumal sie es zwar genoss, die Scarlet so nah bei sich zu spüren, doch noch lange nicht bereit war, das für noch längere Zeit zu tun. Sie musste wenigstens ein bisschen für sich selbst sein und das am besten so schnell wie möglich – unter der Dusche. Daher versuchte sie, Ashley sanft zur Seite und damit von sich herunter zu schieben, auch wenn sich das doch recht schwierig gestalten ließ. Ashley hatte sich nämlich an sie geklammert und es wirkte nicht so, als würde sie alsbald loslassen. „Es ist bald Mittag … Wir sollten uns fertig machen ...“, murmelte Misaki, dieses Mal jedoch in etwas lauterem Ton als zuvor, während sie weiterhin versuchte, die Rothaarige irgendwie von sich runter zu schieben.

Endlich öffnete die Scarlet blinzelnd ihre Augen und grüßte Misaki mit einem Lächeln auf den Lippen, das die Rothaarige so gut es ging zu erwidern versuchte. „Morgen“, gab sie zurück und wartete geduldig darauf, dass Ashley sich gänzlich von ihr runter bequemt hatte. „Ich habe sehr gut geschlafen, danke. Du auch, wie ich gesehen habe?“ Mit einem Ruck setzte sie sich auf und streckte sich einmal ausgiebig. Nun, da das Gewicht der Scarlet sie verlassen hatte, fühlte sie sich zwar freier, gleichzeitig vermisste sie den Druck auch ein wenig, der auf ihr gelegen hatte. Dieses Gefühl verdrängend stand sie kurz nach Ashley ebenfalls auf und folgte ihr mit etwas Abstand und wesentlich langsamer in die Küche. Misaki war weder ein Langschläfer, noch ein Frühaufsteher, meist hatte sie eine feste Uhrzeit an der sie sich aus dem Bett schälte und das, ohne in irgendeiner Form übermüdet zu sein. Das bedeutete jedoch nicht, dass sie keine schlechte Laune hatte, wenn sie erwachte. Denn im Normalfall war Misaki immer schlecht drauf, wenn sie aufstand. Heute war das nicht so. Sie fühlte sich seltsam beflügelt und das machte ihr ein wenig Angst.
Ihre nackten Füße berührten zaghaft die kalten Fliesen in der Küche und ein kurzes Schütteln ging durch Misakis Körper, ehe sie sich letztlich leicht hinter Ashley stellte und ihr dabei zusah, wie sie die eine Tasse füllte. „Ein Tee wäre mir lieber, ja.“ Misaki war kein Kaffeetrinker. Hin und wieder nahm sie eine Tasse, wenn sie doch mal übermüdet war, doch da das momentan nicht der Fall war, brauchte sie sich nicht unnötig mit Koffein zuschütten. Und wenn Ashley ihr schon mal einen Tee anbot, wieso dann das Angebot nicht wahrnehmen?

Dankend nahm Misaki die Tasse mit schwarzem Tee entgegen und schnupperte daran. Als Ashley ihr Zucker anbot, lehnte sie das jedoch ab. „Ich mag den Tee lieber so, wie er ist.“ Sie sah dabei zu, wie die Rothaarige sich drei Stücken Zucker in den Kaffee warf und schüttelte kurz den Kopf. 'Jedem das seine …', dachte sie und nippte leicht an dem heißen Gebräu. Jedoch nicht, ohne vorher ein wenig zu pusten. Dann stellte sie die Tasse ab, um den Tee ein Weilchen ziehen zu lassen. Zudem gab es sowieso ein wichtigeres Thema, dem sie sich zu widmen hatte und hätte sie die Tasse noch in der Hand gehabt, wäre sie ihr jetzt vermutlich runter gefallen. Ashley sprach nämlich ein Thema an, das die Kinoshita so zum Einen nicht erwartet hatte, zum Anderen nicht unbedingt gut fand und sich sofort etwas unwohl fühlte, als es auch nur Ashleys Mund verließ. Zusammenziehen … Sie schluckte hart. Misaki war eine sehr unabhängige Person und sie liebte ihr Leben allein in ihrer kleinen Wohnung. Dennoch musste sie zugeben, dass die Scarlet Recht hatte. Sie hatte vergangene Nacht gespürt, wie einsam sie sich gefühlt hatte und wie nur Ashley diese Leere hatte füllen können. Dennoch fühlte sie sich nicht einmal ansatzweise dazu imstande, irgendwelche gänzlich festen Bindungen einzugehen. Daher machte sie auch unweigerlich unsicher einen Schritt zurück und kratzte sich nervös an der Stirn. „Ich … weiß nicht recht ...“, entgegnete sie zaghaft und schüttelte den Kopf. Nicht, um ihre Worte zu verneinen, sondern um ihre Gedanken ein wenig zu richten, die bereits wild in ihrem Kopf umher kreisten und schwer auf ihr lasteten. „Ich mag dich wirklich sehr gern, ok? Und da war diese Leere vergangene Nacht. Aber das heißt nicht, dass ich … mich gleich so stark binden will.“ Ihre Augen wanderten vom Boden, auf den sie bisher gerichtet waren, zu Ashley, konnten deren Blick jedoch nicht lange still halten. Daher begann Misaki, vor der Scarlet auf und ab zu laufen wie eine Katze, die man in einen zu engen Käfig gesperrt hatte. „Vielleicht ist das … eher ein Thema für ein andermal.“ Sie wollte nicht verlieren, was sie jetzt erst so kurz hatte, aber wollte sie auch nicht zu weit gehen. Noch nicht.

Schnell sah Ashley ein, dass sie mit ihrem Denken doch etwas zu weit gegangen war und so entschuldigte sie sich bei Misaki. Die stand jedoch vorerst weiterhin reglos da und starrte die Fliesen an. Mittlerweile kannte sie das Muster auswendig. Als Ashley meinte, sie solle einfach vergessen, was gesagt worden war, blickte Misaki dann aber doch auf und schüttelte leicht den Kopf. „Ich bezweifle, dass ich das vergessen kann. Aber … ich komm schon zurecht, keine Sorge.“ Sie griff nun doch wieder nach ihrer Tasse, da sie fand, dass der Tee lange genug gezogen hatte und nahm einen Schluck. Dann sah sie Ashley kurz perplex an und folgte mit ihrem Blick der Rothaarigen, die langsam die Küche verließ. Wenn sie mitwollte, sollte sie einfach reinkommen? In die Dusche? Das war schon wieder eine Aktion gewesen, die sie gänzlich überrumpelt hatte. Daher stand sie noch einige Herzschläge lang schweigend in der Küche und blickte ihren Tee an, dann begab sie sich ins Wohnzimmer, wo sie auf dem Sofa Platz nahm und darauf wartete, dass Ashley fertig wurde. Sie würde ihr ganz sicher nicht beim Duschen zusehen. Misaki war sich der Tatsache bewusst, dass Ashley eines Tages aus dieser Beziehung mehr herausziehen wollen würde, doch die Kinoshita war im Moment noch absolut nicht bereit für einen weiteren Schritt. Die Frage nach dem Umzug hatte sie bereits überrumpelt, nun dieses scherzhafte Angebot, von dem sie wusste, dass es zum Teil auch ernst gemeint war. Beim Gedanken daran lief ihr ein Schauer über den Rücken, der zum Einen eiskalt, zum Anderen auch irgendwo angenehm war. Geduldig saß sie also auf dem Sofa, trank ihren Tee und wartete darauf, dass das Bad frei wurde, um sich dann selbst frisch machen zu können, um endlich richtig in den Tag zu starten.

Während Misaki auf dem Sofa saß, lauschte sie dem Prasseln des Wassers, das aus der Dusche kam. Sie konnte es kaum erwarten, selbst das warme Wasser auf ihrem Körper zu spüren. Tief seufzend lehnte sie sich zurück und schloss für einige Momente die Augen, atmete gleichmäßig ein und aus und wartete darauf, dass die Dusche ausgestellt und die Tür zum Bad geöffnet wurde. Als sie das Klicken der Klinke hörte, blinzelte sie ein paar Mal und wartete dann geduldig darauf, dass Ashley heraus kam und sie hinein ließ. Kurz darauf erklangen nackte Füße, die über den Boden liefen und plötzlich spürte sie, wie Arme sich um ihren Hals schlangen und ein Kopf sich auf ihre Schulter legte. Ruckartig sah sie zur Seite und erblickte Ashleys Augen, die sie anfunkelten, während sie sprach. Als sie fertig geredet hatte, ließ sie sich neben die Rothaarige aufs Sofa sinken und gab offiziell das Bad für sie frei. „Wie gesagt, ich werde damit zurecht kommen“, entgegnete Misaki trocken und stand auf. Sie hatte sich von Ashley ein Handtuch geben lassen, das sie nun mit sich ins Bad nahm.
Als sie fertig war mit duschen und sich nun auch gänzlich wach fühlte, gesellte sie sich wieder zu ihrer Freundin und gab nur ein „Wir sollten dann jetzt nach etwas Arbeit suchen“ von sich, ehe sie sich ihre Tasche schnappte und mit auf den linken Oberarm trommelnden Fingern darauf wartete, dass Ashley mit ihr kam. Sie hatte zwar gesagt, damit klar zu kommen, dennoch wollte ihr Kopf das noch nicht so ganz verarbeiten. Immer noch wirbelten die Erinnerungen an Ashleys Frage in ihren Gedanken herum und ließen nicht locker. Sie hoffte, dass die frische Luft und ein umfangreicher Auftrag diese Gedanken verfliegen lassen konnte. Und einen solch umfangreichen Auftrag sollten sie letzten Endes auch finden.

tbc: [Quest] Die Schlacht um Löwenstein