Prüfungsgebiet D-1

Sice war vollkommen überwältigt und regelrecht ratlos gewesen, als eines Tages eine Nachricht Ielena und sie erreicht hatte, welche vom magischen Rat persönlich war. Ehrlich gesagt war dies das erste mal in ihrem Leben, dass sie irgendwer mit solch einer Bedeutung im Königreich an sie gewendet hatte. Umso verblüffender war es noch gewesen, als dann heraus kam, dass es sich um eine Einladung zu einer allgemeinen Prüfung für einen anerkannten S-Rang handelte.
Sie hatte noch nie gewusst, wie genau das bei Shining Falcon ablief, da sie ja immerhin keiner Gilde angehörten und somit niemanden hatten, der die Prüfung für sie organisieren konnte. Darius hatte auch niemals viel darüber erzählt. Aber nun ... sie vermutete, dass das hier sicher eine Möglichkeit dazu war.
Dennoch war sie vollkommen davon geschockt, dass man sie für fähig genug hielt, den S-Rang zu erreichen. Sicher, sie war schon eine Weile auf dem A-Rang und hatte auch die Qualifikation in Form von genügend hochrangigen Aufträgen schon lange Zeit erreicht, aber sie hielt sich wirklich nicht für stark und erfahren genug, um diesen Rang inne zu haben. Sie vermutete auch, dass die Auslieferung von dieser Shino Amakusa eine Rolle dabei spielte, aber da das nur eine kampflose Kapitulation gewesen war, spielte das für die Söldnerin keine große Rolle. Dennoch ... versuchen konnte man es, auch wenn sie sich keine großen Hoffnungen machte.
Und so war sie gemeinsam mit Ielena aufgebrochen, nachdem sie ihre Teilnahme bestätigt hatte und ihr das Datum mitgeteilt wurde. Nun befanden sie sich in einer Einrichtung, die nur für diese eher unüblichen Prüfungen angefertigt wurde, wo man die beiden voneinander getrennt untergebracht hatte.
Doch davon bekam Sice nicht viel mit, denn kaum dass sie diesen seltsamen Spiegelraum betreten hatte, war sie schon nicht mehr da.
Laut ihren Erinnerungen war nichts anders als sonst. Sie machte keine Prüfung mit, sondern war gerade auf einem Ausflug. Ielena hatte sich ausnahmsweise mal für einen Tag von Sice los gerissen und gesagt, sie wolle sich mit "ihrem Freund" treffen. Genaueres hatte Sice nicht hinterfragt, aber sie vermutete, dass es sich um Touma Mayuzumi handelte, mit welchem sie sich ja angefreundet hatte. Durchaus beneidenswert, wie Sice fand. Dennoch hatte sie keine Motivation dafür, sich selbst mit ihm Bekannt zu machen. All dieser Trubel um ihn wäre ihr viel zu nervig.
Und so hatte sie sich entschieden, einmal einen Tag an der frischen Luft in der Wildnis um Hargeon zu verbringen. Doch auf dem Rückweg sollte es natürlich wieder dazu kommen, dass sie sich fragte, ob sie den Ärger anzog. Denn vor ihr an der Straße stand ein großer haufen wild und brutal aussehender, mit groben Waffen ausgestatteter Männer. Garantiert Banditen, also für Sice nichts gefährliches, an sich. Dennoch waren es ganz schön viele. Nicht unbedingt etwas, womit sie sich mal eben rumschlagen wollte. Nicht ohne Rückendeckung.
So marschierte sie zwar unbeirrt ihres Weges in Richtung der Banditen, machte jedoch nicht den Eindruck, als wolle sie großen Ärger. Die Männer jedoch schienen auch zu wissen, wen sie hier vor sich hatten. Anhand der Nähe zu Hargeon kein Wunder.
Mit diesem Vorteil hatte Sice nun zumindest die Chance, ohne ein allzu großes Risiko für sie selbst, wo sie ja schon alleine war, für ein wenig mehr Ordnung zu sorgen. Sie erkundigte sich mit aufgesetzt kampflustiger Stimme, wer der Anführer der Wegelagerer war. Nach einer kurzen "Unterhandlung" mit diesem, wo sie ihm drohte, ihm die Weichteile zu zertreten und alle Zähne auszuschlagen, wenn er seine Leute nicht nahm und ganz schnell aus der Umgebung verschwand, geschah eben dies.
Nicht lange danach fand sie sich in einer dunklen Gasse Hargeon Towns wieder, auf dem Heimweg um den Abend vielleicht noch mit Ielena zu verbringen, wenngleich sie auch nicht mehr viel machen würden. Es war schon spät.
Doch erneut zog Sice den Ärger regelrecht an. Sie traf einen Kerl, den sie nur zu gut von unzähligen Steckbriefen kannte. Er war ein ziemlich brutaler Mann und war dafür bekannt, vor allem junge Frauen zu überfallen. Etwas, was Sice ja so garnicht leiden konnte.
Ohne Umschweife war sie also urplötzlich durch Meteor hell am leuchten, schoss durch die Luft und trat dem Kerl mitten ins Gesicht. Das entbrennende Gefecht war heftig. Sice war gezwungen mehrere male ihre stärksten Zauber zu nutzen und war dabei mit ihrer typischen Ausrüstung ausgestattet, doch mit Mühe und nach ein paar kleineren Verletzungen, war es schließlich soweit, dass sie ihn zu Boden brachte. Und kaum war dies geschehen, waren auch schon Wachen aufgrund des Tumults da und fanden sie vor, wie sie einfach lässig auf dem Rücken des besiegten Verbrechers saß und wartete. Man kannte sie hier ja, also war das nichts besonderes.
Der letzte Teil der Prüfung, welche in Sice' Kopf keine Prüfung, sondern ihr Alltag war - was traurigerweise sogar der Wahrheit entsprach, da ihr Alltag durchaus so aussah - war dann doch etwas, was sie ziemlich nervte. Kurz vor ihrer Ankunft bei ihrem Zuhause, war es schließlich soweit, dass sie von einigen Kerlen abgelenkt wurde, die eine Straße weiter über einen wehrlosen Kerl her fielen und anfingen, ihn hin und her zu stoßen und ihm gelegentlich einen Schlag oder Tritt zu verpassen. Mit einem tiefen seufzen hüllte sie sich in ihre Assassin Armor, rief ihre beiden Sensen und stürmte mit rasendem Tempo los. Man bemerkte sie erst, als es schon zu spät war und sie mitten in das Getümmel sprang.
Darauf bedacht niemanden mit ihren Sensen tödlich zu verletzen, ihnen jedoch ziemlich heftige Wunden zuzufügen und sie somit vorerst aus dem Verkehr zu ziehen, schwang Sice ihre Sensen, wobei sie diese recht kurz gegriffen hatte. Eben dadurch sorgte sie aber mit den umher schwingenden Griffen dafür, dass niemand sich von hinten an sie heran wagte. Und jedes mal, wenn eine ihrer Waffen stockte, weil man danach gegriffen hatte und erfolgreich gewesen war, fand ein Tritt den Störenfried mitten im Gesicht.
Es war schneller vorbei, als man es hätte erwarten sollen. Sice, mit Blut befleckt, was auf ihrer roten Kleidung jedoch eher schwer zu erkennen war, half dem Opfer des Angriffs, sich vom Schauplatz zu entfernen und trat dann noch ein wenig auf die Angreifer ein, die nicht ganz so schwer mitgenommen waren, wie die anderen. Sie sollten bloß alle am Boden bleiben. Außerdem tat es gut den Frust ein wenig los zu werden. Denn von ihrem Abend mit Ielena war nun nicht mehr viel übrig.
Als dann die Wachen näher kamen und einige der Schläger versuchten zu fliehen, sorgte sie mit Rosenmauern dafür, dass es keinen Ausweg gab. Sie würde nicht zulassen, dass irgendwer, der sie hier zu diesem Kampf gezwungen hatte, obwohl sie nur einen ruhigen Tag hatte haben wollen, einfach so davon kam.
Nur Sekunden nachdem der letzte Mann abgeführt worden war, fand sich Sice dann plötzlich wieder in diesem Spiegelraum wieder. Ihr Verstand brauchte eine kurze Zeit, um erst einmal zu realisieren, was hier soeben geschehen war, doch als sie sich soweit wieder gefangen hatte, trat sie durch die inzwischen offene Tür in den Raum für den zweiten Teil der Prüfung.