Löwenstein [B-Rang]

cf: Ashleys Wohnung

Wie immer trug Misaki ihre kleine Tasche bei sich, in der sie all das aufbewahrte, was sie für einen Auftrag normalerweise so brauchte – wenn sie denn etwas brauchte. Ein Ausweis, etwas Geld, jede Menge Kleinkram und all das, was man eben überhaupt so bei sich hatte. Schweigend lief sie neben Ashley her, hatte den Blick absichtlich starr nach vorn gerichtet und war in Gedanken vertieft. Nachdem sie sich fertig gemacht hatte, waren sie kurz beim Gildenhaus vorbei gegangen und hatten dort einen Auftrag vom Brett genommen. Löwenstein … bisher hatte die Rothaarige noch nie etwas von der Stadt gehört, in die sie nun reisen würden, doch die Leute dort brauchten dringend Hilfe und sie wäre wohl keiner guten Gilde beigetreten, wenn sie dann nicht auch für Ordnung sorgen würde. Doch es war weniger die Quest, die sie nachdenken ließ, als vielmehr die Unterhaltung von zuvor. Nachdem sie Ashley halbherzig versichert hatte, damit zurecht zu kommen, war es ihr die ganze Zeit nicht mehr möglich gewesen, der Rothaarigen ins Gesicht zu sehen. Sie überlegte, ob sie noch irgendetwas dazu sagen sollte, doch eigentlich hätte sie das Thema am liebsten gänzlich aus der Welt geschafft. Vielleicht musste sie sich aber auch einfach mit dem Gedanken an etwas anderes ablenken. Allerdings machten die Überlegungen zu der Quest, die ihnen bevorstand, das Ganze nicht unbedingt besser, denn der Weg nach Löwenstein war lang und natürlich mussten sie ihn in diversen fahrbaren Untersetzern zurücklegen. Bereits jetzt begann ihr Magen ein klein wenig zu rebellieren, wenn sie daran dachte, was für eine Höllenfahrt das werden würde.


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Es dauerte nicht lang und sie hatten den Bahnhof erreicht. Doch als Ashley sich auf einer Bank nieder ließ, blieb Misaki stattdessen stehen und verschränkte die Arme vor der Brust. Noch immer hatte sie die Rothaarige keines Blickes gewürdigt. Nun blieb ihr jedoch nichts anderes übrig, denn endlich war diese Stille, die selbst sie mittlerweile als unangenehm empfand, gebrochen und Ashley sprach sie an. Langsam hob sie ihr Blick und erwiderte den Blick der Scarlet, während diese ihr eine Frage stellte. Kurz runzelte sie die Stirn, dann entgegnete sie ohne zu zögern: „Das habe ich mich auch schon gefragt. Es gibt viele Gründe, wieso Leute so etwas tun könnten. Ich meine, die wenigsten beginnen einfach so eine Stadt zu zerstören, aber ich gehe davon aus, dass auch sie einen Grund für das hat, was sie tut. Was nicht heißt, dass ich es gutheiße und ich glaube auch kaum, dass wir sie mit ein paar netten Worten wieder auf den rechten Weg bringen können. Doch jetzt darüber zu spekulieren, warum sie das tut, wäre wohl zu früh. Wir sollten uns erst einmal einen Überblick über die Situation verschaffen und diese Scarlet etwas näher unter die Lupe nehmen.“

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Als Ashley davon sprach, dass diese Zugfahrt angenehmer werden würde, als die letzten, konnte Misaki nur mit den Schultern zucken. Sie war sich da nicht so sicher. Klar, nun konnten sie einander wenigstens stützen, ohne dass die Rothaarige einen Rappel bekam und Ashley anbrüllte, aber machte das irgendetwas an dieser Reisekrankheit besser? Misaki sah absolut nichts Gutes darin. „Wie lange fahren wir? Drei Stunden, vier? Ich glaube kaum, dass das in irgendeiner Form angenehm wird“, murmelte sie und ließ sich nun auch endlich neben Ashley nieder. Mit einem tiefen Seufzer lehnte sie sich zurück und schloss ein paar Sekunden lang die Augen. Sie war von Tatendrang erfüllt, doch würde sie noch eine ganze Weile warten müssen, bis sie endlich was tun konnte. Das ließ ihre Laune gehörig sinken. Nicht, dass sie heute besonders gut gewesen wäre, aber zumindest war sie besser drauf gewesen, als die letzten Tage. Warum gab es keine Teleportation? Das Reisen durch Portale wäre so viel effektiver, es würde schneller gehen und sie müsste nicht aller paar Sekunden darauf Acht geben, dass ihr Mageninhalt sich selbstständig machte. Als das Trommeln erklang, das dem Einfahren des Zuges vorher ging, schlug sie ihre Augen wieder auf und erhob sich.

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Ein leiser Seufzer verließ Misakis Lippen, als Ashley das „Positive“ an dieser Fahrt ansprach. Sie war sich nicht sicher, ob sie die Nähe zu Ashley in einem solchen Zustand unbedingt angenehm finden sollte, viel eher würde sie sich dadurch noch mehr eingedrängt fühlen. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie die Worte gefunden hatte, die sie als passend empfand und von denen sie glaubte, ihre Partnerin nicht allzu sehr zu verletzen. Dann erhob sie sich und folgte Ashley in den Zug. Währenddessen begann sie zu reden. „Du weißt, Körperkontakt ist nach wie vor für mich nichts, was ich bevorzuge, schon gar nicht während ich mit meinem Frühstück zu kämpfen habe, das damit droht, meinen Magen in einem Stück wieder zu verlassen … Ich fürchte also, dass es nur für dich etwas einigermaßen Positives hat“, murmelte sie und ließ sich einige Zentimeter neben Ashley auf einem leeren Platz nieder. Eigentlich hatte es sie auf die Bank gegenüber gezogen, doch konnte sie das der Rothaarigen wohl kaum antun. Also saß sie nun stillschweigend neben Ashley und versuchte, sich innerlich halbwegs auf das vorzubereiten, was sie erwartete. Dem Vorschlag, den ihre Partnerin machte, konnte sie jedoch nur zustimmen. Urlaub nehmen wollte sie zwar nicht unbedingt, aber eine Quest in der Nähe, ohne ein Fahrzeug zu brauchen, um zum umschriebenen Ort zu gelangen, wäre doch mal eine nette Abwechslung, weshalb sie zu diesen Worten lediglich zustimmend nickte. Sagen würde sie vermutlich für den Rest der Fahrt nichts mehr.

Nachdem die beiden nun saßen spürte Misaki plötzlich eine Hand auf ihrem Rücken. Instinktiv schrak sie ein wenig hoch, war sie doch gedanklich vom eigentlichen Thema bereits abgeschweift und hatte sich mit der Farbe der Blätter an den Bäumen vorm Fenster beschäftigt, da das Gespräch für sie abgeschlossen gewesen war. Als sie realisierte, dass die Hand zu Ashley gehörte, beruhigte sie sich aber recht schnell wieder und sank wieder in ihre mehr oder weniger entspannte Haltung zurück. So entspannt sie eben sein konnte, wenn sie daran dachte, dass in wenigen Minuten die Fahrt los ging. Ashleys Worte drangen an ihre Ohren und sie wollte eigentlich etwas dazu sagen, doch setzte der Zug in dem Moment an, als sie den Mund aufmachte und so schloss sie ihn sofort wieder und richtete ihren Blick starr aus dem Fenster. Der Druck von ihrem Rücken verschwand jedoch nicht und in gewisser Weise beruhigte sie das ungemein, auch wenn es ihr gleichermaßen unangenehm war. Die sanften, streichenden Bewegungen erleichterten es ihr, gleichmäßig zu atmen und so war zumindest der Anfang der Fahrt wirklich erträglich. Natürlich wurde das Gefühl der Übelkeit mit jeder Minute, die verstrich, stärker und sie wünschte sich, irgendeine Art von Musik zu haben, die sie ein wenig ablenkte. Das nächste Mal, wenn sie Zug fuhr, sollte sie unbedingt daran denken, etwas zum Anhören mitzunehmen.

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Wenn Misaki eins gelernt hatte, dann, dass Schlafen ganz und gar nicht half, wenn ihr übel war. Meist, wenn sie dann wenige Momente später wieder erwachte, war alles nur noch schlimmer. Daher war sie etwas überrascht, als Ashley neben ihr die Augen schloss. Wenn sie jetzt die Augen zu machen würde, wäre das vermutlich ihr Todesurteil. Allein schon, dass sie ihren Kopf in Ashleys Richtung bewegt hatte, war ein ziemlicher Kraftakt gewesen. Sobald würde sie nun also nicht mehr wegsehen können, ohne dass ihr schwindelig wurde. Wieso konnte es gegen eine Fahrkrankheit kein Medikament geben? Sie wäre die Erste, die es sich kaufen würde. Doch stattdessen saß sie nun hier, starrte ihre Partnerin an, weil sie sonst nichts tun konnte und ließ ihren Blick langsam über Ashleys Züge gleiten. Sie war blasser, als normalerweise, was ja aber verständlich war. Dennoch begann sich in Misaki etwas zu regen, während sie die Scarlet so ansah. Und es war nicht ihr Frühstück, das sich da regte. Es war etwas wesentlich angenehmeres, was Misaki zum Einen beruhigte, zum Anderen ein wenig verunsicherte. Noch immer war ihr nicht so ganz klar, worauf sie sich hier eingelassen hatte und ihr war bewusst, dass sie jetzt, da sie einmal so direkt ausgesprochen hatte, was sie fühlte, wohl so einfach keinen Schritt mehr zurück machen konnte … Dieser Gedanke ließ sie den Blick letztlich senken und doch wieder zurück zum Fenster zurück schauen. Und das so lange, bis der Zug ein weiteres Mal hielt und die Haltestelle durchgerufen wurde, an welcher sie aussteigen mussten.

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Die Erleichterung in Misakis Gesicht, als der Zug anhielt, war ganz deutlich zu erkennen. Dankbar nahm sie Ashleys Hand, ließ sich von dieser beim Aufstehen helfen und gemeinsam schwankten sie zum Ausgang des Zuges. Die Luft, die ihnen entgegen schlug, war zwar frisch, doch schwang der deutliche Geruch von Rauch und Feuer mit, dessen Ursprung in der Ferne gut zu erkennen war. Sie wussten also, wohin sie gehen mussten, doch während Ash bereits wieder fit wirkte, brauchte Misaki noch ein, zwei Atemzüge, bis sie sich so weit gefasst hatte, dass sie sich sicher war, unterwegs nicht doch nochmal umzukippen. Neben der Übelkeit war es vor allem der Schwindel, der ihr jedes Mal Ärger bereitete. Doch glücklicherweise hatte sie sich die ganze Zeit, während sie am Bahnsteig gestanden hatten, an Ashley anlehnen und so das Gleichgewicht bewahren können.
Nun, da sie sich endlich wieder halbwegs gefangen hatte, richtete sie sich auf, räusperte sich und entgegnete: „Jetzt geht es mir besser, ja. Wir sollten uns beeilen, wenn wir noch irgendetwas reißen wollen.“ Ihre roten Augen ruhten in der Ferne auf dem stetig aufsteigenden Rauch. Hin und wieder glaubte sie das Geräusch einer riesigen, wirklich monströsen Maschine zu vernehmen, doch vielleicht bildete sie sich das auch einfach nur ein. Kurz atmete sie ein letztes Mal tief durch, dann setzte sie sich in Bewegung in Richtung Löwenstein.

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Je näher sie der Stadt kamen, desto dichter wurde der Rauch und ein paar Mal musste Misaki husten, als etwas davon ihr in die Lunge stieg. Und nun konnte sie die Maschine, von der sie sich nicht ganz sicher gewesen war, ob sie sich deren Klang nur eingebildet hatte, auch sehen. Direkt über der Stadt schwebte etwas, das aussah, wie ein riesiger Bohrer und das stetig kreischende Geräusche von sich gab. Misaki ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken, ebenso wenig machten die panischen Schreie der Menschen, die an ihnen vorbei liefen, ihr etwas aus. Stattdessen war sie vollkommen konzentriert auf das, was vor ihnen lag. Zwei Kreaturen, die aussahen wie Ritter, nur nicht aus Fleisch und Blut mit metallener Rüstung, sondern wie Puppen aus Zahnrädern. Sie bemerkte, wie Ashley neben ihr in eine Kampfhaltung fiel und tat es ihr gleich, den Blick genauestens auf die beiden Puppen gerichtet. „Dann schicken wir sie mal auf den Schrotthaufen zurück, von dem sie kommen.“ Und mit diesen Worten schickte sie kurzerhand ein lautes Gebrüll aus Holz, das den Staub am Boden der Stadt aufwirbelte und direkt mit sich riss, auf die beiden Marionetten zu und versuchte damit, sie direkt beide außer Gefecht zu setzen.

Technik(en:

600/700 MP

16/40

Spoiler: