Drunken Gryphon

{. S p i e l e r ? Illiana Amell && Shino
{. W o ? && W a n n ? Bar „Zur Natter“ && Später Abend

{. I n h a l t Der Sommer naht ganz offensichtlich und die Straßen von Crocus werden nachts immer belebter, Bars und Restaurants immer besuchter und es ist schwer, noch einen Ort zu finden, an dem man eher für sich sein kann. Die Bar „Zur Natter“ ist dafür jedoch genau der richtige Ort. Nur wenige Bewohner der Stadt treiben sich hier herum, Touristen sieht man gar keine. Es ist eher eine zwielichte Spelunke inmitten des wohl gefährlichsten Stadtteils von Crocus. Die Polizei der Stadt hat an diesem Ort so einiges zu tun. Nicht selten trifft man hier das eine oder andere Mitglied von Cursed Gryphon, eher seltener ganze Gruppen.

Die Sonne hatte sich unterm Horizont verkrochen und dem Mond freie Bahn gelassen, als Illiana die Tür der Bar öffnete, mit gemächlichen Schritten hindurch trat und zum Tresen vor marschierte. Dabei entging ihr kein einziger der Blicke, die den ganzen Weg über auf ihr klebten. Man sah ihr regelrecht an, wie sehr sie sich in all der Aufmerksamkeit badete, die man ihr zuteilwerden ließ. Nicht umsetzt packte sie auf ihre wackelnden Hüften noch einen Haarschwung drauf, als sie sich auf den mittigsten Barhocker setzte und dem Barkeeper ein umwerfendes Lächeln schenkte. Als einstiges Opfer der rothaarigen Schönheit schenkte dieser ihr nur ein leises Schnauben und drehte sich halb von ihr weg, als er nach einem Glas griff. „Das übliche?“ „Das übliche“, bestätigte sie und stützte ihren Kopf in die Innenfläche ihrer Hände, während sie nach rechts blickte und dem neben ihr sitzenden Mann kurz zuzwinkerte. Dann wandte sie sich mit einem Augenrollen wieder von ihm ab. All diese Männer hier drinnen waren nichts, was es sich für sie lohnte, anzusprechen und später mitzunehmen. Also würde sie sich für heute Abend doch eher auf den Alkohol konzentrieren, den sie hier bekam. Zudem war der Abend noch jung und Illiana war fest davon überzeugt, dass irgendetwas Spannendes passieren würde, wenn sie nur lange genug hier saß und die starrenden Blicke dieser widerlichen Männer geduldig über sich ergehen ließ.
Der Barkeeper hatte ein paar Flaschen teilweise geleert und schob der Magierin nun den Inhalt derer in einem vollen Glas zu. Diese nahm das Getränk entgegen und nippte kurz daran, ehe sie den Drink wieder abstellte, die Beine übereinander schlug und einen gelangweilten Gesichtsausdruck aufsetzte. Sie hatte sich für diesen Abend extra in Schale geworfen, trug statt ihrer gewöhnlichen blauen Alltagskleidung ein hübsches, schwarzes, überaus kurzes und rückenfreies Kleid, da sie eigentlich in den feineren Gefilden der Stadt hatte vorbei schauen wollen. Doch so voll, wie die Straßen derzeit waren, hatte sie kaum einen Schritt vor ihre Haustür setzen können, ohne bereits überrannt zu werden. Und hier, in dieser kleinen Spelunke, waren die Männer zwar noch sehr viel unsittlicher, dafür jedoch in wesentlicher geringerer Menge vertreten.

Der Abend nahm seinen Lauf und nichts interessantes passierte in den nächsten 30 Minuten, die Illiana schweigend auf ihrem Stuhl saß und an ihrem Glas nickte. Dann, endlich, ging die Eingangstür der Bar ein weiteres Mal auf und Schritte näherten sich langsam dem Tresen, ehe Illiana aus dem Augenwinkel sah, wie sich jemand auf ihrer linken Seite niederließ. Ihr Blick wanderte nach links, wo nun ein junges Mädchen saß, ganz sicher nicht älter als 20 Jahre und sich einen Drink bestellte, den sie kurz darauf in einem Zug leerte, nur um direkt im Anschluss ein weiteres Glas zu bestellen. Etwas davon überrascht hob Illiana eine Augenbraue, während sie das Mädchen eingehend musterte. Irgendwo und irgendwann hatte dieses Gesicht schon einmal gesehen. Sie konnte sich nur nicht erinnern, in welchem Zusammenhang das wohl gewesen sein konnte. Aber vielleicht ließ sich das ja herausfinden. „Was hat ein junges Ding wie du an einem Ort wie diesem zu suchen?“, fragte sie trocken und drehte sich nun in ihrer Gänze nach links, den Drink behielt sie natürlich in ihrer Hand. Mittlerweile war der Geräuschpegel im Raum sich wieder zu einer gewohnt hohen Lautstärke angestiegen, sodass Illiana beim Sprechen ihre Stimme etwas dagegen erheben musste, um sicherzugehen, dass ihre Gesprächspartnerin sie auch ganz sicher verstand. Sie war sich sicher, dass das Mädchen einen guten Grund dafür hatte, um diese Uhrzeit hier zu sein und auch wenn sie nicht danach aussah, musste es für sie eine Möglichkeit geben, sich gegen handgreiflich werdende Männer zu schützen. Anderenfalls wäre sie wohl kaum an einen solchen Ort gekommen. Und Illiana wusste, wovon sie sprach, wenn sie sagte, dass man solche Viertel besser nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte.

Illianas Augen wurden zu Schlitzen, als die Gegenfrage kam. Ein wenig frech, für ihren Geschmack, aber sie sah darüber hinweg, da direkt darauf eine ehrliche Erklärung kam. Während das Mädchen ihr erklärte, was es wirklich hier wollte, wanderte Illianas Blick neugierig zu den spitzen Ohren auf seinem Kopf. Gerade weil es diese markanten Ohren hatte, musste ihr doch einfallen, wer dieses Mädchen war, wenn sie ihm schon einmal begegnet war … Doch konnten selbst diese Merkmale ihrem Gedächtnis nicht auf die Sprünge helfen. Und als ihr eine direkte Frage gestellt wurde, ließ sie davon ab, sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen, sondern richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Gesicht ihres Gegenübers. „Zuerst einmal … bin ich ganz sicher reifer, als du. Demnach wäre eine höflichere Form der Ansprache wohl passender“, wie sie die junge Frau zurecht – bewusst das Wort „älter“ nicht erwähnend –, nippte erneut an ihrem Glas, stellte es dann ab und stützte ihren Kopf in die rechte Handfläche, während sie einen wehleidigen Blick aufsetzte. „Du hast Recht, ich war nicht darauf aus, hier zu landen, doch sind die noblen Etablissements viel zu überfüllt, um dort einen guten Drink richtig genießen zu können. Hier hat man wenigstens für ein Weilchen seine Ruhe, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint. Trotzdem bin ich nicht davon überzeugt, dass jemand wie du sich hier allzu lange aufhalten sollte.“

Bei jedem „Du“ oder „Dir“, das das Mädchen an sie richtete, zuckte Illiana ein klein wenig mehr zusammen. Sie konnte es auf den Tod nicht ausstehen, respektlos angesprochen zu werden und die Form der Anrede war ein wichtiger Bestandteil dessen. Doch als das Mädchen dann erwähnte, das wohl stärkste Mitglied ihrer Magiergilde zu sein, entschied Illiana die beleidigenden Worte, die ihr auf der Zunge lagen, vorerst zurück zu halten. Stattdessen gab sie kurz ein Lachen von sich. Sie wusste, dass das Äußere niemals ein Grund dafür war, andere vorschnell zu beurteilen, doch bei diesem unschuldigen Gesicht und dem zarten Körperbau fiel es ihr schwer, dem Mädchen Glauben zu schenken. „Älter, huh? Von Alter spreche ich nicht … ich sprach von geistiger Reife. Und deinen Worten nach zu urteilen besitzt du nicht besonders viel davon.“ Langsam rutschte sie auf ihrem Stuhl etwas weiter nach vorn, wodurch ihr Gesicht dem ihrer Gesprächspartnerin gefährlich nahe kam. „Und du hast ja keine Ahnung, wozu ich imstande bin!“ Die Hand, die das Glas hielt stellte dieses auf dem Tresen ab und wanderte dann zu der Wange der offensichtlich Jüngeren, ein süffisantes Lächeln zierte Illianas Gesicht. „Ich mache mir lediglich Sorgen um ein unschuldig wirkendes, kleines Mädchen, das ist alles“, säuselte sie mit solch falscher Fürsorglichkeit, dass wohl selbst jeder Trottel in diesem Raum bemerkt haben sollte, wie wenig ernst sie das Gesagt meinte. „Aber in einem Punkt hast du Recht: Dieser … Fummel ist im normalen Fall für einen Kampf wahrlich nicht geeignet. Das bedeutet aber nicht, dass das auch für mich gilt.“ Wollte das kleine Ding vor ihr wirklich einen Kampf provozieren? An diesem Ort und um diese Zeit? Und vor allem … mit ihr?

Die ganze Zeit, die Illiana geredet hatte, war ihr Gegenüber schweigsam gewesen und hatte ihr lediglich zugehört. Jedenfalls hatte es so ausgesehen, als würde das Mädchen ihr zuhören, vielleicht sogar über das nachdenken, was sie sagte. Und als sie ihre Worte beendet hatte, näherte sich auch ihr Gegenüber ihr und drückte ihr doch tatsächlich einen Kuss auf die Lippen. Ein Schritt, den Illiana so tatsächlich nicht erwartet hatte. Normalerweise war eher sie es, die solche Aktionen startete. Kurz brauchte sie einen Moment, um auf das klar zu kommen, was gerade passiert war, dann setzte sie ein überhebliches Grinsen auf. „Wie du willst, Kleines“, säuselte sie und erhob sich langsam, wobei sie mit einer Handbewegung ihr Haar zurück schwang. Dann legte sie eine Hand auf den Tresen. An dieser Stelle begann das Holz, langsam schwärzer zu werden und immer weiter einzusinken, so als würde es nicht brennen, sondern direkt davon schmelzen. „Aber sag nachher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“ Nachdem sie ihren Handabdruck im Holz hinterlassen hatte erhob Illiana sich von dem kleinen Hocker, trank den letzten Schluck aus ihrem Glas und richtete sich dann zu ihrer vollen Größe auf. „Nun denn, Alter vor Schönheit, heißt es doch?“ Wenn sie wirklich älter war, wie sie es behauptete, auch wenn Illiana das nach wie vor nicht glaubte, so ließ sie der Kleinen doch mit Freude den ersten Schritt. Wäre dieses Mädchen ein Mann gewesen und hätte diesen Schritt gemacht, so hätte sie ihr wohl bereits den Kopf abgerissen. Doch bei Frauen war sie in diesem Punkt etwas entspannter ...

Illiana hatte sich innerlich bereits auf einen Kampf eingestellt. Dementsprechend überrascht war sie, als ihr Gegenüber plötzlich einlenkte und stattdessen vorschlug, erst einmal einen anderen, ruhigeren Ort aufzusuchen, um dort alles weitere zu klären. Eine Augenbraue hebend starrte sie das Mädchen einen Augenblick lang grimmig an, nicht ganz wissend, wie sie mit dieser Situation nun umgehen sollte. Am allerliebsten hätte sie ja einfach zugeschlagen, aber das wäre einfach nicht ladylike. Also warf sie ihren Kopf zurück und blitzte das Mädchen gefährlich an. „Also gut …“, grummelte sie. „Verschieben wir das an einen anderen Ort.“ Sie ließ ihre Hand in ihre Tasche gleiten, holte ein paar Jewel heraus und legte diese auf dem Tresen ab. „Passt so“, zischte sie, dann wandte sie sich auf dem Absatz um und machte sich mit langsamen, theatralischen Schritten auf den Weg zum Ausgang. Dabei brannten die Blicke aller Anwesenden ihr auf der Haut. Dieses Mal war es nichts, worin es sich zu baden lohnte. Viel eher war es ein unangenehmes Gefühl, das sich nun in ihr ausbreitete. Gern hätte sie hier, vor all diesen Männern, ihre wahre Stärke gezeigt. Nun musste sie stattdessen abtreten. Zudem hatte sie noch immer das Gefühl des kalten Kusses auf ihren Lippen, das sie innerlich aufbrausen ließ. Wie hatte dieses … Kind es wagen können so etwas zu tun? Mit ihr? Eines stand fest: Illiana würde sich dafür rächen.

Draußen vor der Gilde angelangt wartete Illiana auf ihre für diese kurze Zeit selbst ernannte Rivalin, bis diese ebenfalls raus kam. Von dort aus marschierten beide Frauen gemeinsam in eine dunkle Seitengasse, die für ihren Kampf wohl ausreichend sein sollte. Ein wenig unschön fand die Rothaarige dieses Gebiet ja schon aber es sollte wohl genügen. Illianas giftgrüne Augen ruhten auf dem Gesicht ihres Gegenübers, während sie eine etwas gemütlichere Pose einnahm und ihr das Zeichen gab, den ersten Schritt zu machen. Doch als der Kommentar zu einem Essen im Kerzenschein ausgesprochen wurde, war es um sie geschehen. Ein leises Knurren von sich gebend, sprintete sie auf das Mädchen zu, während ihr Körper sich langsam aber sicher in rote Lava hüllte. Die Magierin kannte ihre Stärken und sie wusste, dass sie vor allem in einer direkten, körperlichen Konfrontation leichtes Spiel mit diesem kleinen, zierlichen Ding haben sollte. Also holte sie schwungvoll mit der rechten Faust aus und ließ diese mit ihrer gewohnten Geschwindigkeit auf ihre Kontrahentin zufliegen. Weder hatte sie den Kampf durch irgendwelche Worte eingeleitet, noch hatte sie vor, jetzt irgendetwas zu sagen. Nur ein grimmiger Schrei verließ ihren Mund, als ihre geballte Faust nach vorn schnellte, ihre Augen blitzten grimmig auf und die Lava-Rüstung, die sich um sie gelegt hatte, gab der guten Frau ein wahrhaft schauriges Äußeres …

Magie (nur fürs Protokoll ^_^):

Die dunkle Aura, die sichtbar um das Mädchen herum waberte, fiel Illiana zwar auf, begeisterte sie jedoch reichlich wenig. Stattdessen schlug sie kräftig zu und bemerkte die gegnerische Faust erst, als sie ihr bereits die Lichter ausgepustet hatte. Die beiden Frauen hatten sich doch tatsächlich kurzerhand binnen weniger Sekunden gegenseitig ausgeknockt. Eine ganze Weile lag Illiana bewusstlos auf dem Boden und erst, als sie verzerrt eine Stimme vernahm, blinzelte sie leicht und fasste sich an den schmerzenden Kopf. „Tch …“, gab sie von sich und setzte sich langsam auf, während sie versuchte, ihre Orientierung zurück zu erlangen. Mit der Zeit realisierte, was wohl passiert sein musste und blickte zu dem Mädchen auf, das neben ihr stand und sie ansprach. Sie brauchte einen Moment, um zu verstehen, was man ihr da erzählte, doch als ihr klar wurde, was zu ihr gesagt worden war, sprang sie auf, das Gesicht bedeckt mit einer leichten Röte, während sie versuchte ihr Kleid wieder zurecht zu schieben. Dann warf sie einen wütenden Blick auf das Mädchen. Dabei versuchte sie herauszufinden, ob es wirklich ernst meinte, was es gesagt hatte … Ein Essen im Kerzenschein. Für einen Moment war Illiana ja sogar versucht, darauf einzugehen, dann räusperte sie sich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wieso zu Hölle hast du geglaubt, ernsthaft eine Chance gegen mich zu haben? Und dann auch noch mit dir selbst gewettet?“, fragte sie und versuchte dabei, das Dröhnen in ihrem Kopf zu ignorieren. Außerdem machte sie sich daran, ihre Haare zu richten, die während ihrer Zeit am Boden ordentlich durcheinander gekommen waren.

Während Illiana noch damit beschäftigt war, ihre Frisur zu richten, beantwortete das Mädchen in offensichtlicher Selbstzufriedenheit die Frage, die Illiana ihr gestellt hatte. „Ich hab‘ nur nicht richtig aufgepasst … unter anderen Umständen und zu einer anderen Zeit hätte ich deinen Schlag ganz sicher vorhergesehen und wäre rechtzeitig ausgewichen“, entgegnete sie spitz. „Als ob ich Interesse an einem Kind hätte!“ Ein wenig kränkte die Aussage der Kleinen sie ja fast, doch viel mehr ärgerte es sie, sich solch freche Worte gefallen lassen zu müssen. Doch ihr Kopf dröhnte noch immer von dem zugegeben heftigen Schlag gegen den Unterkiefer und sie wollte ungern doch noch einen ernsthaften Kampf beginnen. Und diese Entscheidung sollte die Magierin auch nicht bereuen.
Gerade, als sie zufrieden mit dem war, was sie aus ihrem Haar gemacht hatte, richtete ihr Blick sich auf eine Gruppe Männer, die wunderbar in diese Gegend passten. Leicht angetrunken torkelten sie auf die beiden Frauen zu und blieben nicht weit von ihnen stehen. Schweigend sah Illiana dabei zu, wie einer der Männer nach vorn trat, das Wort an sie wandte und von ihrer Begleiterin eiskalt ausgekontert wurde. Offensichtlich nur das naive Mädchen spielend ließ sie sich von diesen fremden Leuten betatschen, während Illiana das Spektakel ungläubig beobachtete. Langsam machte sie einen Schritt zurück, tiefer in die Dunkelheit der Gasse hinein und das keinen Moment zu früh, denn schon erschien etwas hinter dem Mann, der das Mädchen in die Knie gedrückt hatte und stieß eine Klinge mitten durch Rücken und Brust hindurch. Mit großen Augen starrte Illiana auf das grausame Schauspiel, was sich ihr soeben bot. In Worte war kaum zu fassen, was sie sah. Statt dass der Mann tot zu Boden ging, verlor er immer mehr an Form, so als würde er ausgesaugt werden. Der Rest der Gruppe hatte zu diesem Zeitpunkt bereits verstanden, was ihnen blühte und versuchte, irgendwie zu entkommen oder sich zu verkriechen. Doch keinen von ihnen ließ Illianas unfreiwillige Begleiterin gehen. Genau um Mitternacht, Illiana konnte das Spielen der Glocken aus der Richtung vernehmen, in der der prächtige Markplatz der Stadt sich befand, änderte sich die Gestalt des Mädchens und statt dieser unschuldig wirkenden, kleinen Frau stand nun ein prächtiger Wolf inmitten der Gasse. Begeisterung stand Illiana ins Gesicht geschrieben, als sie dabei zusah, wie der Rest der Männer einer nach dem anderen bewusstlos zu Boden ging. Langsam aber sicher wurde ihr klar, dass das Mädchen sich nicht übernommen hatte, als es davon ausgegangen war, einen Kampf gegen die Rothaarige mit Leichtigkeit zu gewinnen. Ebenso begann sie zu ahnen, mit wem sie es denn nun zu tun hatte. Warum sie nicht viel eher darauf gekommen war, konnte sie jedoch beim besten Willen nicht sagen.
Nachdem kein einziger Mann mehr stand, verwandelte das Mädchen sich zurück und verschwand einen Augenblick lang aus der Seitenstraße. Illiana schälte sich derweil wieder aus der Dunkelheit und lief an den am Boden liegenden Kerlen vorbei. Jedem einzelnen schenkte sie einen angewiderten, hasserfüllten Blick. Als sie das Ende der Gasse erreicht hatte, war das Mädchen wieder da, gefolgt von einer Gruppe Polizisten, die die Männer einsammelten und mit sich nahmen. Erst, als alle weg waren, kam das Wolfsmädchen auf Illiana zu und fast als wäre nichts passiert, sprach sie sie erneut auf das Essen an. Noch im selben Atemzug stellte sie sich ihr als Shino Amakusa vor und bestätigte somit die Vermutung der Magierin. Die A-Rang Magierin von Cursed Gryphon, der sie bisher nur wenige Male über den Weg gelaufen war und mit der sie nie ein Wort gewechselt, geschweige denn für die sie sich sonderlich interessiert hätte. „Illiana … Amell“, entgegnete sie, noch immer begeistert von den Bildern der vergangenen Minuten, die sich tief in ihr Gedächtnis eingebrannt hatten. „Ich bin … das war … umwerfend!“, rief sie, die kranke Begeisterung stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben. Ihr giftgrünen Augen leuchteten vor Begeisterung, als sie in die Hände klatschte und auf die Stelle deutete, an der einer der Männer verschwunden war. Es gab nichts, absolut gar nichts, was Illiana mehr hasste, als Männer – perverse, widerliche Männer, die ihr an die Wäsche wollten, ohne von ihr direkt dazu aufgefordert worden zu sein. Jeder Mann, der so etwas tat, verdiente eine solche Strafe, wie sie dem einen widerfahren war. Für sie war jeder tote Mann, ein guter Mann und je grausamer sein Tod, desto besser.
„Es gibt ein Restaurant etwas abseits der Innenstadt. Dort sollten wir hingehen.“ Für einen Moment kam sie wieder zu dem Thema zurück, das Shino als letztes angesprochen hatte und setzte sich bereits in Bewegung. Dabei warf sie jedoch immer wieder einen Blick zurück in die Gasse, dann auf Shino und wieder zur Gasse. „Diese Magie! Das war bezaubernd. Sag, wie viele solcher Mistkerle sind bereits auf diese Weise gestorben?“ Mit Shino hatte Illiana endlich eine Person gefunden, die offensichtlich nicht davon verstört wurde, wenn sie öffentlich über ihre Hingabe zum Töten sprach. Immerhin hatte eben diese Frau sich kurz vorher in einen blutrünstigen Wolf verwandelt. Das war ganz sicher nicht das erste Mal, dass sie auf diese Weise einem Haufen Schweine Manieren beigebracht hatte. Und manchmal war es sogar amüsanter, ihnen einfach nur schreckliche Angst einzujagen und ihnen Leid zuzufügen, statt sie direkt zu töten. Denn das Leid anderer war doch meist das beste Leid. „Dieser Blick in seinen Augen. Wunderschön!“, trällerte sie. Dass sie noch wenige Minuten vorher in einem Kampf gegen Shino hatte gewinnen und sie hatte bloßstellen wollen, war bereits vergessen. Es gab nun etwas viel spannenderes, womit Illiana sich zu befassen hatte. Das Bild, was sich in ihr Gedächtnis gebrannt hatte, erinnerte sie so stark an das, was vor vielen Jahren geschehen war – was sie selbst getan hatte. Der Blick des Mannes, der auf seinem Gesicht gelegen hatte, bevor er verschwunden war, war genau der gleiche den auch ihr Vater getragen hatte, bevor sie ihm das Gesicht weggebrannt hatte. Bei dem Gedanken an diesen Anblick setzte die Frau ein breites Grinsen auf. Ein Grinsen, das ihrem Gesicht ein überaus angsteinflößendes Äußeres gab. Eines das von dem sprach, wozu sie wirklich imstande war, wenn ihre Fähigkeiten und die Umstände es zuließen.

Illiana musste zugeben, dass ein solch unschuldiges Aussehen durchaus auch ein Vorteil sein konnte. So unterschätzten die meisten Leute Shino wohl und rechneten nicht mit dem, was geschah, wenn sie ihr zu nahe kamen. So fiel das Töten ihr sicher noch viel leichter … Dennoch wollte sie selbst ihr Äußeres niemals wegen so etwas ändern, immerhin hatte auch ihr Stil seine Vorteile. Als Shino ihr ein offensichtliches Kompliment machte, nickte Illiana ihr nur knapp zu. „Ich bin auch nicht abgeneigt, deine Bekanntschaft gemacht zu haben. Du lässt andere leiden, ohne Skrupel zu zeigen. Ich weiß solch eine Charaktereigenschaft durchaus zu schätzen.“ Es war wohl ganz offensichtlich, dass diese beiden Frauen ordentlich einen Knacks weg hatten, doch gerade das sorgte wohl dafür, dass sie sich nach ihrer kurzen, kleineren Auseinandersetzung nun plötzlich wunderbar verstanden.
Einige Meter, bevor sie die Straße erreichten, in der das Restaurant sich befand, sprach Shino sie auf ihre gemeinsame Zugehörigkeit zu ein und derselben Gilde an und auch darauf nickte Illiana. „Cursed Gryphon, ja.“ Es bedurfte keiner weiteren Beweise, denn wer, der kein Mitglied dieser Gilde war, würde sich schon als ein solches outen? Als Shino sie jedoch auf den Schlag ansprach, berührte Illiana kurz ihre Schläfe, dann schüttelte sie den Kopf. Natürlich tat es weh, doch würde sie das dem Mädchen trotz allem nicht gönnen. Dafür war ihr Stolz zu mächtig und würde sie zugeben, dass der Schlag wirklich unglaublich weh getan hatte, wäre dies ja doch ein kleiner Sieg für die andere Magierin. Und das konnte Illiana um keinen Preis zulassen. „Nunja, ich bin nicht oft im Gildenhaus. Immerhin wohne ich in einer Wohnung hier in der Stadt. Das Treiben in einem Gildenhaus ist mir zu groß, als dass ich dort mehr Zeit meines Lebens als nötig verschwenden würde.“ Damit machte sie ihren Standpunkt wohl eindeutig klar. Illiana war kein Fan von allzu überfüllten Gebäuden und auch blieb sie ungern lange an einem solchen Ort.
Langsam aber sich kamen die beiden Frauen nun vor dem Restaurant an und Illiana schritt die Stufen nach oben, öffnete die Tür und hielt sie tatsächlich für Shino offen. Sie tat so etwas nur in den allerseltensten Fällen, doch dieser war einer davon. Im Inneren des Gebäudes schlug ihr sofort der Geruch von köstlich zubereitetem Essen entgegen und sie merkte, wie ihr Magen zu knurren drohte. Glücklicherweise konnte er an sich halten und nicht die gesamte Besucherschaft auf sich aufmerksam machen.

Als Shino von ihrem Anwesen sprach, musterte Illiana sie einen Moment eindringlich. Wollte das Mädchen damit etwa sagen, dass es tatsächlich  ein ganzes Anwesen besaß? Shinos Preisklasse traute sie das eigentlich sogar zu, immerhin verdiente man in ihrer Position wesentlich besser, als Illiana es derzeit tat. „Ganz genau so sieht’s aus“, bestätigte sie die Worte des Mädchens und folgte ihr dann nach drinnen, wo sie sich recht schnell einen Platz gesucht und sich niedergelassen hatten. Entspannt und bewaffnet mit der Karte lehnte sich die Rothaarige auf ihrem Stuhl zurück und warf eine Weile einen konzentrierten Blick in den Inhalt derer. Auf etwas Bestimmtes hatte sie eigentlich keinen Appetit, also ließ sie ein wenig das Zufallsprinzip entscheiden. Ein paar Mal blätterte sie die Seiten durch, ohne hinzusehen, bis sie irgendwann bei einer inne hielt und ihren Finger blind ein Ziel suchen ließ. Ein Teller Asiapfanne sollte es also werden.
Sobald der Kellner die beiden Frauen erreicht hatte, gab Illiana ihre Bestellung auf und ließ sich zum Essen noch einen guten Rotwein und ein Wasser bringen. Dabei schenkte sie dem jungen Mann einen recht zweideutigen Blick, als sie ihre Augen über seinen Körper fahren ließ. Dann richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf ihre Begleitung. „Das wird es, versprochen. Ich bin nicht zum ersten Mal hier und bin bisher nie enttäuscht worden“, versprach sie ihr und überschlug ihre Beine, um sich bequem hinzusetzen. Dann legte sie ihre Hände auf den Tisch und verschlang ihre Finger ineinander. „Dann erzähl mal. Wann hast du gelernt, dich in einen Wolf zu verwandeln?“, fragte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Es würde eine Weile dauern, bis ihr Essen kam und in dieser Zeit konnten sie ein wenig Smalltalk führen.

Spoiler:

Gespannt lauschte Illiana der Erzählung ihres Gegenübers, die auf ihre Frage bezüglich der Wolfsform kam. Geister kontrollieren? Das klang wirklich außergewöhnlich und nach etwas, das dem Besitzer einer solchen Kraft schier endlose Möglichkeiten bereitstellte. Daneben wirkte ihre Lava Magic fast schon ausgebrannt … um nicht zu sagen unspektakulär. Kurz brachte dieser Gedanke die Magierin dazu, mit den Zähnen zu knirschen, empfand sie den Umstand, dass das Mädchen so viel schwächer wirkte und doch so viel stärker war, als pure Kränkung ihres eigentlich ziemlich großen Egos. Als Shino ihre Erzählung beendet hatte, wechselte sie vor den ungläubigen Augen der Rothaarigen ihre Gestalt und für einen Augenblick ertappte Illiana sich dabei, wie sich ob dieses Körpers, der da vor ihr saß, nicht wirklich jugendfreie Gedanken in ihren Kopf schlichen. Schnell verdrängte sie diese und setzte ein kokettes Lächeln auf. „Ich verstehe. Und es macht dir nichts aus, in solch einer … animalischen Form herumzulaufen?“ Damit sprach sie natürlich auf den langen Schweif und die spitzen Ohren an, die Shinos Äußeres in ihrer normalen Gestalt prägten. Die Frau, die nun vor ihr saß hatte langes, wunderschönes, tiefrotes Haar und Augen, die in eben derselben Farbe schimmerten. Wenn es wahr war, was Shino sagte und sie vergeben war, dann konnte Illiana definitiv verstehen, wieso das der Fall war. „Ich meine, wenn du doch auch eine solch wesentlich erwachsenere Form annehmen kannst?“