Giglio

(B-Rang) Tötet Nessie!:

cf: Haupthalle

Ashley sagte nichts zu Misakis etwas ruppigen Reaktion, worauf die Rothaarige schloss, sie hätte sich damit abgefunden und verstanden, dass sie ihre Partnerin zu lange hatte warten lassen. Denn tatsächlich hatte diese eine ganze Weile an der Bar gesessen und gewartet. Es war sowieso bewundernswert, dass sie so lange dort gesessen hatte, denn normalerweise hätte Misaki nach 10 Minuten die Quest allein in die Hand genommen. Aber irgendwie war heute nichts normal. Misaki war immer still, wenn sie auf dem Weg zu einer Quest war, doch heute war sie besonders tief in ihren Gedanken versunken, bis sie sich irgendwann daraus befreite und sich direkt an ihre Partnerin wandte: „Was ist das mit dir und diesem Kerl? Auf mich wirkte er wie ein hochnäsiges Arschloch, also was hast du mit ihm zu schaffen?“ Sie wusste, dass er der Gildenmeister von Violent Phoenix war und ihr war sofort nachdem sie Ashleys Blick gesehen hatte klar gewesen, dass da etwas zwischen ihnen passiert sein musste, doch konnte Misaki sich nur schwer vorstellen, dass die Rothaarige in irgendeiner Form engeren Kontakt zu diesem Typen pflegte. Und tatsächlich war da dieses gewisse Interesse, das Misaki verspürte. Normalerweise hielt sie sich nicht allzu stark daran auf, etwas über andere zu erfahren aber heute hatte sie das Bedürfnis dazu. Nun musste nur noch Ashley mitspielen und auf ihre Frage antworten.

Selbst als das Fleisch durch die Wasseroberfläche drang und langsam hinab sank, geschah lange Zeit nichts und Misaki wusste, dass auch ihre Partnerin langsam an dem Auftrag zu zweifeln begann. Umso mehr packte sie der Schock, als plötzlich ein riesiger Schatten in atemberaubender Geschwindigkeit durch die Decke des Sees brach und riesige, scharfe Zähne nur wenige Zentimeter von beiden Frauen entfernt zuschnappten. Kurz gab die Rothaarige fast so etwas, wie einen erschrockenen Schrei von sich, als sie merkte dass Ashleys Griff um sie sich lockerte und sie vollkommen aus deren Armen rutschte. Sagen konnte sie jedoch nichts mehr, da sie bereits fiel, als sie Ashley daran erinnern wollte, sie wirklich gut festzuhalten.
Der Sturz war gewaltig tief und ein dieses Mal wesentlich längerer und vor allem lauterer Schrei verließ Misakis Kehle, als sie immer tiefer fiel und letzten Endes mit einem lauten Platscher im Wasser landete. Nur den Schrei ihrer Partnerin bekam sie noch mit. Der Schmerz, der sich wegen des Aufpralls durch ihren gesamten Körper zog war nichts im Vergleich zu der Panik, die sie übermannte. Sie konnte nicht schwimmen, hatte es doch nie gelernt und auch nie versucht, es sich selbst beizubringen. Das Wasser zog sie immer tiefer und ihr Körper wollte sich kaum bewegen, so gelähmt war sie vor lauter Schreck. Sie wollte schreien, um Hilfe rufen, ihren Stolz dieses Mal gänzlich außer Acht lassend, doch als sie ihren Mund öffnete, drang nur noch mehr Wasser in ihre Lungen und sie presste ihre Lippen lieber stark aufeinander.
Noch immer gelähmt vor Schreck und die Augen vorsichtshalber geschlossen, bemerkte sie auch nicht, wie die ungeheuerliche Kreatur des Sees mit affenartiger Geschwindigkeit auf sie zuraste. Ebenso wenig bekam sie mit, wie eine wesentlich kleinere Gestalt wie ein Pfeil durch die Meeresdecke schoss und ihr immer näher kam. Das einzige, was sie wusste war, dass ihre Sinne langsam dahin schwanden und ihr Körper noch immer keinerlei Anstalten machte, sich irgendwie zur Wehr zu setzen.

21/40

Spoiler:

Misaki konnte spüren, wie nach und nach ihr Bewusstsein sie verließ und sie  hörte auf, ihren Körper dazu überreden zu wollen, sich zu bewegen. Sie hatte nicht vorgehabt, jetzt schon zu sterben, gab es doch so viel, was sie noch tun musste, tun wollte. Sie wollte Reika noch ein weiteres Mal sehen, wollte älter werden, ihre Karriereleiter weiter hinauf klettern … Und sie wollte noch einmal mit Ashley reden. Richtig reden. Über alles, was sie ihr Leben lang geplagt hatte und wovon sie nie jemandem hatte berichten wollen. Doch wusste sie, dass die Scarlet ganz sicher verstehen würde, wenn sie hören könnte, was Misaki ihr zu sagen hatte. Doch nun sollte es dazu wohl nicht mehr kommen.
Umso überraschter war sie, als sich plötzlich ein Arm um ihren Oberkörper schlang. Sie hatte bereits aufgehört, daran zu glauben aus den Tiefen dieses schrecklichen Sees jemals lebend herauszukommen, da spürte sie, wie etwas Warmes, Weiches sich auf ihre Lippen legte. Vollkommen davon überrumpelt, riss sie nun doch ihre Augen auf und starrte Ashley direkt ins Gesicht. Weder konnte sie für den Moment verstehen, was da vor sich ging, noch, was genau als nächstes geschah, doch wurde sie mit unglaublicher Geschwindigkeit aus dem Wasser gezogen und landete etwas unsanft auf sandigem Boden. Hustend und prustend spuckte sie eine kleinere Ladung Wasser aus und blinzelte einige Male heftig, um das Wasser aus ihren Augen zu bekommen. Ihr Herz raste so schnell, wie noch nie und ihr ganzer Körper zitterte – ob nun vor Aufregung oder vor Schock wusste sie nicht. Vielleicht ja auch wegen beidem.
Allerdings hatte sie kaum genug Zeit, um die aktuelle Situation irgendwie ordentlich fassen zu können, da mit einem lauten Brüllen der Kopf der riesigen Kreatur durch die Wasseroberfläche brach und zwei winzige, runde Augen die Frau direkt anstarrten. Ob es nun ihr jahrelanges Training oder einfach nur ihr Instinkt war, so schaffte sie es, sämtliche Gedanken, dir durch ihren Kopf rasten, für einen Moment beiseite zu schieben, worauf das leere, blasse Gesicht sich mit Zorn füllte und sie hielt beide Arme vor sich ausgestreckt. „Nicht nochmal!“, rief sie mit bebender Stimme und schaffte es, rechts und links von der Kreatur hölzerne Gitterstäbe entstehen zu lassen, die nach oben schossen und sich dann durch weitere Stäbe miteinander verbanden. Das Ganze geschah so schnell, dass das Monster noch im Flug gegen eine der Holzwände knallte, statt Misaki oder Ashley – die neben ihr lag – zu treffen und mit sich zurück in die Tiefen zu ziehen.

Magie:

575/600 MP

23/40

Spoiler:

Eine Weile sorgte das Ungetüm noch für Lärm in seinem Käfig, bis Ashley letztlich ein riesiges Schwert aus Eisen auf es hinabstürzen ließ und das ganze Drama schließlich beendete. Und doch ließ Misaki den Käfig erst verschwinden, als sie sich zu 100% sicher war, dass Nessie nicht mehr lebte. Anschließend ging sie leicht in die Knie und stützte ihre Hände auf ihren Oberschenkeln ab. Erst jetzt hatte sie genug Zeit, sich über das klar zu werden, was im See geschehen war.
Ihr Blick wanderte zu Ashley, die schwer atmend im Sand saß und zu ihr hinauf sah. Die Kinoshita atmete selbst noch ein paar Mal durch, dann baute sie sich vor Ashley auf und verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Gedanken waren nun nicht mehr geordnet, sondern rasten so sehr durch ihren Schädel, dass sie bereits drohte Kopfschmerzen zu bekommen. Doch zumindest die folgenden Worte konnte sie mit gutem Gewissen hervor bringen: „Du hast mich fallen lassen!“ Ihre Stimme war recht spitz, hatte sie diese doch noch nicht ganz so unter Kontrolle, wie sie es sich gewünscht hätte. Der Schock ließ zwar langsam nach, doch noch war er ihren Gliedern nicht gänzlich entflohen. Und genau das wollte sie Ashley klar machen. „Ich dachte, wir hätten einen Deal. Ich dachte, du würdest aufpassen, dass das nicht passiert! Ich dachte …“ Sie unterbrach sich selbst, als ein kurzer Erinnerungsfetzen durch ihre Gedanken schoss. Unfähig, ihre Worte fortzuführen, stand sie einen Augenblick lang schweigend da und blickte zu der Scarlet hinunter. „Hast du … da unten … war das …?“ Sie versuchte, ihre Stimme ein wenig zu senken, um all die Anwesenden nicht auf das aufmerksam zu machen, was sie Ashley gerade zu fragen versuchte.

25/40

Noch immer hatte Misaki die Arme vor der Brust verschränkt, während sie Ashley unsicher ansah. Diese entschuldigte sich für das Fallenlassen, konnte es sich jedoch nicht nehmen lassen, einen kurzen Verweis darauf zu geben, dass Misaki ohne ihre Hilfe nun wohl gar nicht erst hier stehen würde. Eine Tatsache, der die Rothaarige leider nichts entgegenzubringen hatte. Ashley hatte verdammt Recht. Und doch war da dieses Gefühl in ihr, das Misaki nicht zuordnen konnte. Sie war sauer, aber eigentlich nicht auf ihre Partnerin. Gleichzeitig war sie unglaublich erleichtert darüber, noch am Leben zu sein und nicht das Bewusstsein verloren zu haben. Diesbezüglich hatte Ashley ebenfalls eine Erklärung, auch wenn sie selbst am Ende des Satzes aufhörte, zu sprechen.
„Wie auch immer …“, murmelte die Kinoshita und versuchte, die leichte Röte im Gesicht ihrer Partnerin zu ignorieren. Man bot ihnen ein Zimmer und eine Dusche und es gab wohl kaum etwas, das sie nun lieber tun wollte, als diesen widerlichen Gestank los zu werden, von dem ihr fast schon schlecht wurde, auch wenn sie ihn erst realisiert hatte, als Ashley darauf zu sprechen gekommen war.
Misaki war ebenfalls der Ansicht, dass sie sich später darüber unterhalten sollten – in aller Ruhe. Sie wollte nicht, dass die hier Anwesenden allzu viel von ihr oder dem mitbekamen, was da unten geschehen war und wie blöd sie selbst sich letztlich verhalten hatte. Sie war vollkommen hilflos gewesen, hatte keine Möglichkeit gesehen, sich aus diesem Chaos zu befreien. Und dabei hatte sie sich doch nie wieder so fühlen wollen. Ein schweres Gefühl begann, sich auf ihr Herz zu drücken und sie musste hart schlucken, während sie hinter Ashley und dem Auftraggeber her zu einem kleinen Gasthaus lief. Es gab so viel, auf das sie die Scarlet anzusprechen hatte. Dieses … Mund-zu-Mund-Beatmung, das Fallenlassen, die Rettungsaktion, das Beenden der Quest … die Gedanken, die sie gehabt hatte, als sie glaubte zu sterben. Andererseits … diese Gedanken behielt sie lieber vorerst für sich. Sie wollte sich nicht zu viel Schwäche anmerken lassen. Erst mal nur ein wenig. Doch nun freute sie sich erst einmal auf eine frische, heiße, um den Geruch nach Fisch und See loszuwerden.

27/40

Nachdem man ihnen versichert hatte, die Bezahlung am folgenden Tag auf jeden Fall zu erhalten, hatte man die beiden Frauen allein in einem Zimmer für Zwei zurückgelassen. „Ich denke nicht, dass zuerst zu duschen irgendetwas besser macht“, gab sie schnippisch an Ashley gewandt zurück. Für einen Moment sah Misaki sich um, dann griff sie nach der Tasche, die sie auf Quests stets mitnahm und verschwand, gemeinsam mit dieser, in dem kleinen, aber reinlichen Bad. Noch immer rasten ihre Gedanken und vielleicht schaffte ja das klare Wasser es, sie wieder in eine ordentliche Reihenfolge zu bringen. Mit einem tiefen Seufzer stieg die Kinoshita also in die Dusche und legte den Hahn um. Sofort prasselte zu Anfang eiskaltes Wasser auf sie nieder und einen Moment fröstelte die Rothaarige. Dann wurde der Strahl langsam wärmer und Misakis lehnte sich entspannt an die kalte Wand, während die Wärme langsam durch ihre Glieder und Knochen floss.
Ihre Gedanken wanderten zu dem Gefühl, das noch immer auf ihren Lippen zu liegen schien. Das Gefühl, das Ashleys Lippen dort hinterlassen hatten. Es war kein unangenehmes Gefühl, sondern hatte etwas Entspannendes und gleichzeitig Aufwühlendes. Sie spürte, wie ihr Herz, das eigentlich zur Ruhe gekommen war, erneut ein paar Mal schneller auf und ab hüpfte und sie fragte sich, ob das wohl wirklich mit ihren Gedanken zusammenhing. Vielleicht war sie ja auch einfach nur krank … Doch darüber schüttelte sie nur den Kopf. Sie musste aufhören, vor ihren eigenen Emotionen weg zu laufen oder Ausreden zu finden. Ihr Griff um den Duschkopf festigte sie sich ein wenig, während sie die Augen einen Moment lang schloss und in sich ging. Sie mochte Ashley – sehr sogar. Und sie wollte der Rothaarigen dafür danken, dass sie sie gerettet hatte. Doch ging dieser Wunsch von ihrem Herzen aus und sie hatte sich geschworen, ihr Herz niemals etwas entscheiden zu lassen. Was, wenn sie es tat und das ganze bereuen würde? Sie musste auf Nummer Sicher gehen. Aber was, wenn sie Ashley damit verletzte? Etwas, das Misaki sich kaum vorstellen wollte. Sie wusste nicht einmal, wieso sie so ein Problem damit hatte, Ashley so zu behandeln, wie sie alle anderen Menschen behandelte … wie Unwürdige. Und sie wünschte, es würde ihr bei der Scarlet ganz genauso leicht fallen. Doch das tat es nicht. Und sie würde sich dieser Sache stellen müssen.
Einen Entschluss fassend stellte sie die Dusche aus und stieg aus der Dusche. Ihr Blick fiel in den kleinen Spiegel an der Wand und sie sah direkt in zwei leere, rote Augen, die sie selbst ein wenig erschreckten. Wie konnte sie so kalt sein, während sie vielleicht gerade dabei war, endlich eine Freundin zu gewinnen? Kurz schüttelte sie den Kopf, dann zog sie sich um und verließ mit nassem Haar das Badezimmer. Sie ließ sich auf dem Bett nieder, das dem Fensterbrett am nächsten war. Mittlerweile war es dunkel geworden und Ashley saß da, den Blick nach draußen gerichtet. Einen Augenblick lang beobachtete Misaki ihre Partnerin, dann räusperte sie sich. „Du … kannst dann rein.“ Sie brachte es nicht über sich, irgendetwas anderes zu sagen. Aber sie würde sicher noch dazu kommen, sobald ihre Partnerin mit duschen fertig war und vielleicht ja ihrerseits den ersten Schritt gemacht hatte … Es war Misaki noch nie leicht gefallen, auf diese … emotionale Art und Weise auf Menschen zuzugehen.

29/40

Von Ashley kam kaum eine Reaktion, als Misaki das Bad verließ. Erst einen Augenblick nachdem sie sie angesprochen hatte, stand die Rothaarige auf, schnappte sich ihre Sachen und verschwand nun ihrerseits im Badezimmer. Einen tiefen Seufzer von sich gebend warf Misaki sich rücklinks auf ihr Bett und starrte eindringlich die Zimmerdecke an. Sie wollte, sie wäre einfach zuhause in ihrer Wohnung, allein und könnte sich dort vor dem verstecken, was in ihr vorging. Ihr Leben lang hatte sie versucht sich einzureden, dass sie stark genug war, mit allem fertig zu werden. Nun musste sie sich eingestehen, dass sie sich ein Leben lang angelogen hatte. Sie war nicht standhaft geblieben, sie war jedes Mal aufs Neue vor sich, ihrer Vergangenheit und ihren Gefühlen weggelaufen. Und am allerliebsten würde sie das auch dieses Mal tun. Doch sie hatte Ashley gegenüber eine Verpflichtung und auch wenn sie feige war, ehrlos war sie ganz sicher nicht.
Das hier war mindestens das zweite Mal, dass ihre Partnerin ihr den Arsch gerettet hatte und langsam wurde es Zeit, dass sie sich dafür revanchierte. Auch wenn der heutigen Rettungsaktion zuerst ein Missgeschick der Scarlet vorausgegangen war. Für einen kurzen Moment schloss Misaki die Augen, ehe sie sie wieder öffnete, als das Wasser der Dusche ausgeschaltet wurde und Ashley einen Moment später das Badezimmer wieder verließ, nur um sich dann gegenüber der Kinoshita auf ihr Bett zu setzen und sie eindringlich anzusehen. Misaki erhob sich ebenfalls und überschlug ihre Beine, während sie dem Blick ihrer Partnerin standzuhalten versuchte. Sie sollten reden … über mehr, als nur das, was zuvor geschehen war. Ein leises Schnauben von Misaki unterbrach die auf diese Aussage Ashleys folgende Stille. „Meinst du nicht es reicht, wenn wir darüber reden, wie du mich beinahe hast ertrinken lassen?“, entgegnete sie scharf, wobei sie selbst sich vor ihren Worten erschreckte. Es ging wieder los. Sie versuchte, eine Mauer um sich herum zu errichten, indem sie ihre Mitmenschen verletzte und so von sich fern hielt. Kurz biss sie sich auf die Unterlippe, ehe sie ihren Blick senkte. „Entschuldige … das sollte gar nicht so gemeint sein. Es ist nur … ich weiß nicht, worüber wir sonst reden sollten?“ Sie wusste verdammt gut, worum das Gespräch sich noch drehen sollte. Jedenfalls aus ihrer Sicht. Aber zum Einen wusste sie nicht einmal, wie genau sie ansprechen sollte, was in ihr vorging und zum Anderen war sie unsicher, wie Ashley darauf reagieren würde.

31/40

Schweigen umhüllte die Kinoshita, als Ashley zu reden begann. Zuerst war es nur ein Akt der Höflichkeit, doch mit der Zeit verwandelte dieses Schweigen sich in einen Ausdruck der Sprachlosigkeit. Ashley berichtete ihr davon, wie sie ohne nachzudenken hinterher getaucht war, wie sich Gefühle in ihr entwickelt hatten, die der Rothaarigen galten und wie sie mittlerweile zu Misaki stand. Diese blinzelte ein paar Mal, ihre Augen hatten sich immer mehr geweitet, ungläubig wirklich richtig gehört zu haben. Sie konnte nicht leugnen, dass die Worte der Scarlet etwas in ihr bewirkten, etwas freisetzten, was sie so absolut nicht kannte. Ihr wurde unsagbar warm um das eigentlich so eiskalte Herz und sie spürte, wie ihr Gesicht nahezu in Flammen aufging. Liebe … sie hatte davon gelesen, davon gehört, doch sie nie selbst empfunden. Bis heute. Doch war das, was sie seit kurzer Zeit spürte, wirklich Liebe oder bildete sie sich das einfach nur ein, weil sie es endlich einmal selbst fühlen wollte?
Eine unangenehme Stille entstand, nachdem Ashley geendet hatte. Langsam fuhr Misaki sich mit dem Zeigefinger der rechten Hand über die Lippen. Normalerweise wäre sie längst aufgestanden und hätte das Zimmer verlassen. Und sie spürte bereits, wie ihr Kopf versuchte, sie davon zu überzeugen, sich zu erheben und davon zu laufen. Doch irgendetwas sagte ihr, dass sie dieses Mal hier bleiben musste. „Ich … ich werde dich ganz sicher nicht dafür schlagen, dass du mir das Leben gerettet hast“, entgegnete sie leise und hob ihren Blick, um Ashley direkt ins Gesicht sehen zu können. Diese war davon überzeugt, dass es nur eine einseitige Sache war, doch Misaki war sich darüber gar nicht so sicher. Dennoch war sie schockiert darüber, dass Ashley tatsächlich jetzt damit aufgekommen war. Was dachte die Scarlet wohl, wie sie jetzt reagieren sollte? Und überhaupt … nicht einmal sie selbst wusste, wie sie reagieren sollte. Eine weitere Pause entstand, in der beide Frauen einander anstarrten, während Misaki verzweifelt versuchte, Worte zu finden.
„Ich wusste nicht dass du s-so von mir denkst. Immerhin habe ich dich nie wie … eine Freundin behandelt. Ich verstehe nicht, wie … wie du wissen kannst, dass das … was du fühlst wirklich echt ist? Du kennst mich kaum und ich bin nur wirklich niemand, der sich besonders darum bemüht hat, dein Herz für sich zu gewinnen“, brachte sie letztlich hervor, noch immer unsicher, wie genau sie darüber denken sollte, dass ihr Herz noch immer heftig schlug. Sie war doch eine erwachsene Frau: Wieso führte sie sich jetzt auf wie ein schüchternes Schulmädchen, das seinen ersten Liebesbrief erhalten hatte? Wie konnte Ashley … ein Mädchen, das so voller Liebe und Gutmütigkeit war, jemanden wie sie lieben, die doch ihr Leben in einem Schleier aus Zurückweisung und Geheimnissen gelebt hatte? Und sollte sie Ashley von dieser Unsicherheit berichten, sollte sie erklären, warum sie all das nicht verstehen konnte oder sollte sie es lieber für sich behalten, bis Ashley ihre Antwort gegeben hatte? Vielleicht würde dadurch alles viel klarer ... Doch mit einem war sie sich ganz sicher: Sie wollte Ashley erzählen, was sie empfand. Doch hatte sie absolut keine Ahnung, wie sie das tun sollte. So gerade heraus, wie ihre Partnerin es getan hatte? Das wäre eine Option, doch war sie sich nicht sicher, ob sie das wirklich in Worte gefasst kriegen würde.

33/40

Was Ashley sagte, machte in Misakis Ohren durchaus Sinn. Und doch konnte sie nicht verstehen, wie man sich aus solchen Gründen zu ihr hingezogen fühlen konnte. Langsam schüttelte sie den Kopf und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, während sie seufzte. Ashleys Herz hatte entschieden … und die Frage der Rothaarigen war berechtigt. Wie entschied Misaki sich? Ihre roten Augen wanderten zwischen dem hölzernen Boden dieses Zimmers und Ashley hin und her, ein nervöses Flackern und eine gewisse Unsicherheit spiegelten sich darin wider. Dann holte sie einmal tief Luft und ballte eine Hand zur Faust, entschlossen nun das loszuwerden, was ihr am allermeisten auf dem Herzen lag: „All diese Worte, die du gesagt hast haben … eine Reaktion in mir hervorgerufen, die ich nicht beschreiben kann. Ähnlich wie du habe ich so etwas nie gefühlt und wollte es eigentlich auch nie. Dementsprechend kann ich nicht sagen, was es ist aber die Tatsache, dass du hier bist und mir all das erzählt hast, hat mich … ich denke die richtige Bezeichnung dafür ist ‚glücklich gemacht‘. Ich habe in meinem ganzen Leben bisher nie das Bedürfnis gehabt, zu lächeln, mich mit jemandem zu freuen, mit jemand anderem zu leiden oder überhaupt nur längere Zeit in der Nähe anderer Personen zu sein. Und dann bist du aufgetaucht und ich habe angefangen, lieber Aufträge mit dir zu erledigen, als allein. Jedes Mal, wenn ich auf mich allein gestellt unterwegs war habe ich mich gefragt, was du in den jeweiligen Situationen wohl gemacht hättest … Die ganze Zeit über habe ich versucht, dieses Gefühl zu verdrängen, aber gerade heute ist es einfach so wieder aufgetaucht. Ich … ich bin unsicher, wie ich damit umzugehen habe und ich weiß nicht, ob ich genau das empfinde, was du auch fühlst. All das ist neu für mich. A-aber … wenn du sagst, dass du … mehr über mich erfahren willst, d-dann denke ich … werde ich dir diesen Wunsch nicht verwehren. Zuletzt deshalb weil ich nach allem, was du mir erzählt hast glaube, dass du mich dafür nicht verurteilen wist.“ Wow … Misaki konnte sich nicht erinnern, in ihrem Leben jemals so viel auf einmal und ohne Pause gesagt zu haben. Und sie fühlte sich ein wenig von ihren eigenen Worten erschlagen, doch gleichzeitig hatte sie ein unglaublich gutes Gefühl, ein Gefühl der Befreiung, wohl dadurch hervorgerufen, dass sie zumindest ansatzweise ihrem Herzen Luft gemacht hatte.
„Ich weiß nicht, wie Liebe sich anfühlt. D-daher … kann ich dir leider nicht sagen, wie mein Herz sich entscheidet“, murmelte sie und seufzte erneut. Ihre selbstsichere Haltung von zuvor war in sich zusammengefallen und nun hockte sie mehr auf dem Bett, als das sie saß und ihr Blick ruhte nervös auf Ashley.

35/40

Noch immer sah sie Ashley unruhig an, bis diese sich letztlich schweigend erhob und neben ihr auf die Bettkante setzte. Kurz zuckte Misaki leicht zurück, als sie spürte, wie ihre Hand von Ashleys umschlungen wurde, gewöhnte sich jedoch schnell an das angenehme Gefühl der weichen Haut und des leichten Drucks. Während sie sich also langsam wieder beruhigte, obwohl ihr Herz ihr weiterhin bis zum Hals schlug, begann Ashley endlich zu reden. Diese sprach von der Liebe ihrer Schwester und dass zumindest dieses Gefühl der Liebe der, die sie für Misaki empfand, sehr ähnlich war. Wenn Misaki Reika eher kennen gelernt hätte, hätte sie dann vielleicht auch ein Leben so wie Ashley geführt? Eine Frage, die sie schon etwas länger plagte und nun wieder präsent wurde. Doch schob sie diese vorerst zur Seite und blickte stattdessen ihrer Partnerin tief in die Augen, als diese ihr mit ihrem Gesicht erschreckend nahe kam. „W-was …?“ Für einen Moment verspürte Misaki das dringende Bedürfnis, aufzustehen und weg zu laufen, oder zumindest ihr Gesicht abzuwenden, doch da lagen die Lippen der Scarlet bereits auf ihren eigenen.
Sie wusste nicht ganz, wie ihr geschah … Dieses Gefühl, das sie die ganze Zeit über gehabt hatte, wurde noch sehr viel stärker und ihr Herz schien nahezu aus ihrem Brustkorb springen zu wollen. Sie spürte, wie eine angenehme Wärme sich in ihrem Inneren ausbreitete und wie ihre Lippen die sanfte Berührung in sich aufnahmen. Noch nie in ihrem ganzen Leben war Misaki einer Person so nahe gewesen und bisher hatte sie stets versucht, zu vermeiden andere in dieser Form so stark an sich heranzulassen. Doch dieses Mal gab sie ihren Gefühlen gänzlich nach und schloss langsam die Augen, während ihr Körper an Anspannung verlor. Es war seltsam. Zum Einen war sie unglaublich entspannt, zum Anderen so aufgeregt, wie noch nie in ihrem ganzen Leben. Wobei diese Aufregung durchaus positiver Natur war.

37/40

Fast schon schmerzte es die Rothaarige, als Ashley eine gefühlte Ewigkeit später den Kuss unterbrach und sie dann aus ihren großen Augen leidenschaftlich ansah. Misaki erwiderte den Blick und war sich sicher, dass sie dabei ganz genauso drein sah, wie ihre Partnerin und ihre Wangen ungefähr vom gleichen Rot geziert waren. Dieser … Kuss hatte ihr Sicherheit gegeben und ihr gesagt, was sie zu wissen hatte: Sie empfand mehr für Ashley, als man nur für eine Partnerin empfinden konnte. Diese emotionale Explosion in ihrem Inneren und die Tatsache, dass sie bereits jetzt das Gefühl ihrer Lippen auf den eigenen vermisste, sprachen wohl Bände.
Ihr blieb nichts anderes übrig, als tatsächlich ein sanftes, sehr zaghaftes Lächeln aufzusetzen, als Ashley erneut zu ihr sprach. „Ich werde Zeit brauchen, ja. Aber … ich bin in meinem Leben genug weggelaufen. Es wird Zeit, dass ich mich … dem hier stelle.“ Ihr war anzumerken, dass sie ihre Worte weise und bedacht wählte, darauf bedacht, nichts falsches zu sagen, um zum Einen keine zu voreiligen Schlüsse zu ziehen und zum Anderen Ashley nicht zu sehr auf die Folter zu spannen. Ihre Finger glitten derweil zwischen die ihrer Partnerin. „Du hast was gut bei mir, Scarlet. Und das meine ich, wie ich es sage. Nicht nur, dass du mich schon zum zweiten Mal gerettet hast, sondern auch dass du aus einem vollkommen verrückten Grund in mir etwas zu sehen scheinst, das nicht einmal ich selbst sehe. Und die Zeit mit dir hat angefangen, aus mir einen anderen … und hoffentlich besseren Menschen zu machen und oh Gott ich rede schon wieder so viel.“ Ein frustriertes Knurren verließ ihre Kehle, während sie den Kopf schüttelte. Die Worte verließen ihre Lippen wie Wasser, das einen Wasserfall hinab strömte. Und dabei hatte sie noch nicht mal ansatzweise etwas über ihre Vergangenheit preisgegeben …
„Ich denke … das ist für heute genug der Gefühlsduselei“, sprach sie, nunmehr mit wesentlich selbstbewussterer Stimme und hatte endlich zu ihrer vorherigen Körperhaltung zurückgefunden, auch wenn sie nun etwas weniger abweisend wirkte. Viel eher einfach nur müde. Der morgige Tag würde sicher noch ein paar Überraschungen für sie bereithalten und vor allem war Misaki gespannt darauf, wie Ashley wohl auf ihre Erzählungen über ihre Vergangenheit reagieren würde.

39/40